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Stefan Steinmetz
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Dabei seit: 10.02.2006
Beiträge: 1733

Der Elfenmacher(26) Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       IP Information Zum Anfang der Seite springen

Polly und Dunja standen auf dem Schulhof. Sie besprachen die Deutscharbeit, die sie gerade hinter sich gebracht hatten.
„Schön, dass es die letzte Arbeit in Deutsch vor den Ferien war“, meinte Polly.
Dunja verzog das Gesicht.: „Da kommt die Klemme.“
Polly blickte ihre Freundin verdutzt an: „Wer?“
Dunja verdrehte die Augen: „Die Klemme! Gleich klemmt sie wieder an dir dran. Was will die Zicke plötzlich von dir? Die soll sich wegscheren.“
Chayenne Kowak kam vom Eingang der Schule quer über den Hof auf sie zu.
„Sei nicht eklich“, bat Polly.
Dunja riss die Augen auf: „Du bist gut! Das ist ein mieses Biest. Von der geht nichts Gutes aus.“
Polly überraschte sich selbst: „Jeder kann sich ändern, Duny.“
„Wer sagt das?“ wollte Dunja wissen.
„Ich“, gab Polly zurück. Sie wunderte sich über sich selbst. Chayenne Kowak war ein Aas. Sie konnte das Mädchen nicht leiden. Chayenne machte nur Stunk. Oder?
„Die ist nur auf Streit und Krach aus“, flüsterte Dunja, als hätte sie Pollys Gedanken gelesen. Wo die auftaucht, gibt es Stunk. Sie ist eine fiese, hinterhältige Ziege. Ein richtiges Rabenaas. Ich kann sie nicht ausstehen.“
„Sie hat Angst“, wisperte Polly. Chayenne war inzwischen so nah bei ihnen, dass sie nicht mehr laut reden konnten.
„Angst?“ Dunja blies die Backen auf. „Schiss hat sie! Vorm Schratzl. Geschieht ihr recht. Hoffentlich holt er sie. Mir wäre es recht.“
Polly schaute ihre Freundin an: „Dunja!“ Natürlich wusste Dunja von Chayennes Angst. Polly hatte ihrer Freundin alles haarklein erzählt.
Chayenne war heran. Schüchtern stand sie vor den beiden Mädchen. „Hallo Polly“, sagte sie leise. Dann stand sie da und rührte sich nicht. Wieder hingen ihre Arme herunter wie die gebrochenen Flügel eines Vogels. Sie wartete ab. Man sah ihr an, wie unsicher sie war.
„Hi Chayenne“, sagte Polly. „Wie fandest du die Deutscharbeit?“
„Gräßlich“, sagte Chayenne, froh um den Aufhänger. „In Diktat und Aufsatz habe ich fast immer eine Eins, aber Grammatik finde ich furchtbar. Ich kann mir all die Wörter nicht merken: Eigenschaftswort, Tätigkeitswort … warum muss man das lernen? Zum Schreiben braucht man es doch überhaupt nicht. Ich habe bestimmt nur eine Drei – vielleicht sogar eine Vier.“
„Ich finde Grammatik auch doof“, sagte Polly. Sie schaute Chayenne Kowak an. Irgendwie hatte sich alles verändert, seit sie dem Mädchen verziehen hatte. Dabei hatte sie es nicht mal wirklich ernst gemeint. Chayenne hatte ihr bloß leid getan, weil sie so verzweifelt war. Also hatte sie ihr verziehen. Im Gegensatz zu ihr schien es Chayenne sehr viel zu bedeuten. Seitdem war sie still und in sich gekehrt. Sie war nicht mehr eklich zu anderen Kindern, sondern hielt sich zurück. Selbst wenn jemand versuchte sie zu reizen, blieb sie ruhig.
Sie war ängstlich, seit der Schratzl sie zu holen versucht hatte. Neuerdings versuchte sie immer in Pollys Nähe zu sein. Dunja gefiel das überhaupt nicht. Sie sah in Chayenne Kowak nach wie vor die gemeine Streithenne, die alles aufmischte und überall Krach anfing.
Das Gespräch erstarb. Sie standen zu dritt da und schauten sich nur an.
Schließlich sprach Chayenne Polly an: „Du Polly? Als ich letztens bei dir war, da habe ich ein Quieken gehört. Hast du vielleicht Meerschweinchen?“ Ihre Stimme war ganz leise.
Wieder war Polly überrascht, wie hübsch das Mädchen war, wenn es nicht aus Wut und Gemeinheit zu bestehen schien. Chayenne sah vollkommen verändert aus, wenn sie sich nett gab.
„Das war Sir Henry“, sagte sie. „Mein Meereber.“
Chayenne schaute sie stumm an. Polly las die unausgesprochene Bitte in den Augen des Mädchens.
„Willst du ihn mal sehen?“ fragte sie.
Chayenne nickte wortlos.
„Komm doch heute Nachmittag vorbei“, schlug Polly vor. „Du weißt ja, wo ich wohne. Dann zeige ich dir Sir Henry und die Schweinerei.“
Chayenne schaute sie aus großen Augen fragend an: „Schweinerei?“
Polly lachte sie an: „So nennen wir Sir Henrys neues Zuhause. An der Garagenwand haben mein Vater und Onkel Stephan aus Holzbrettern ein Laufgehege für mein Meerschweinchen gebaut. Es geht über drei Etagen. Kommst du?“
Chayenne nickte: „Gerne. Wenn ich darf.“
„Klar doch. Ich habe dich doch grade eingeladen.“
„Ich kann nicht“, verkündete Dunja. „Ich gehe mit meiner Mutter Kleider kaufen und ich muss noch für Mathe lernen. Wir schreiben diese Woche noch eine Arbeit.“ Sie schaute demonstrativ zur Seite.
Chayenne blickte zu Boden.
Polly fasste sie am Arm: „Dann bis heute Nachmittag, ja?“
Chayenne schaute sie dankbar an: „Ja. Bis heute Nachmittag.“

*

Monica war bei Stephan auf Besuch. Er führte sie durch Haus und Garten und zeigte ihr sein kleines Reich. Er war nervös und durcheinander und er hatte Angst, sich beim Sprechen zu verhaspeln. Trotzdem war er guter Dinge und fühlte sich so wohl wie lange nicht. Monica war da. Monica.
Noch immer war er aufs höchste verwundert, welche Gefühle sie in ihm auslöste. All die Jahre waren sie zusammen gewesen. In der Schule hatte sie sogar eine Zeitlang neben ihm gesessen. Damals hatten er und Dominik einige Male zu oft den Unterricht gestört und die Klassenlehrerin hatte Stephan „strafversetzt“. Neben Moni. Die hatte sich gefreut, aber ihm war es wurscht gewesen. Ein halbes Jahr hatten sie nebeneinander gesessen. In der Sechsten war das gewesen.
Sie waren schnell zu einem eingeschworenen Team geworden. Schlagartig hatten sich Monis Noten in Mathematik verbessert und er war in Geschichte und Physik um zwei Notenstufen nach oben geklettert. Sie hatten das gemeinsame Spicken zu höchster Perfektion entwickelt.
All die Jahre, dachte Stephan. Immer beieinander. Nebeneinander. Und nie war was.
Er hatte Monica erst vermisst, als sie plötzlich weg war. Selbst dieses Vermissen war nicht besonders ausgeprägt gewesen. Er hatte nicht gelitten. Er hatte lediglich ab und zu an Moni gedacht und sich gewünscht, sie wäre wieder dabei.
Schließlich hatte er die Freundin aus Kinder- und Jugendjahren sogar vergessen. Wenn er mit Ingrid Streit hatte, hatte er ein Gefühl von Leere verspürt und gedacht, wie viel besser es wäre wenn er mit … ja, mit wem? Immer wenn er an diesem Punkt angekommen war, waren seine Gedanken regelrecht erloschen. Er wusste nicht mehr, wen er vermisste.
Und jetzt brannte sein Herz lichterloh. Er konnte es immer noch nicht fassen. Es war alles so … so … passend. Es war, als wären Topf und Deckel zusammengekommen, als hätten Ying und Yang zusammengefunden. Sie hatten einander wieder. Er erkannte jede ihrer Gesten. Wenn er etwas fragte und ihren Gesichtsausdruck las, wusste er im Voraus, was sie antworten würde. Wenn sie etwas fragte, beantwortete sie ihre eigene Frage manchmal selbst und sie sagte genau das, was er hatte sagen wollen. Es war, als seien sie nur kurz getrennt gewesen und nach ein oder zwei Monaten wieder vereint worden.
Monica erkannte mit einem einzigen Blick jedes Möbelstück, das er selbst gebaut hatte. Sie zeigte ihm an der Garderobe eine Stelle, wo er gepatzt hatte: „Das mit der Ecke links unten hast du nie richtig hinbekommen. Auch an der Piratenkiste, die du mir mit elf Jahren gebaut hast, ist links unten die Kante schief.“ Sie lachte ihn an, was seinen Herzschlag enorm beschleunigte: „Das war schon immer ein Markenzeichen von dir. Ich habe das geliebt. Es machte die Kiste zu etwas Besonderem. Sie war nur für mich. Du hast sie komplett selber gebaut. All die Verzierungen … ich habe bis heute keine Ahnung, wie man so etwas macht. Du hast das ja von Hand gebaut. Ich war total happy damals, als du mir das Ding in die Hände gedrückt hast. Ich habe die Kiste immer noch. Die gebe ich nicht her.“
Dann waren sie draußen und spazierten über Stephans Land. Der Leutnant eskortierte sie.
Der Spitz war die größte Überraschung für Stephan. Als Monica auftauchte war er nicht nur kein bisschen misstrauisch gewesen, nein, er hatte sie mit einem freundlichen Winseln begrüßt und mit dem Schwanz gewedelt, als würde er sie seit Ewigkeiten kennen. Jetzt wich er nicht von Monicas Seite. Gebannt lauschte er jedem Wort der Frau und sah ganz genau hin, wenn sie etwas tat, als müsse er sich alles merken, jede Geste und jeden Handgriff.
Monica bewunderte die Feldbahn. Bevor Stephan etwas sagen konnte, zeigte sie auf Eugen Niedermeyers alte Scheune: „Das Ding wäre perfekt als Lokschuppen. Schade, dass es nicht auf deinem Gelände steht.“ Stephan war perplex.
„Das war das Erste, was mir einfiel, als ich damals das Haus besichtigte, bevor ich es kaufte.“ Er zeigte auf das leere Grundstück auf der anderen Seite seines Gartens: „Das da und das Land oberhalb meines Geländes hätte ich gerne dazu gehabt.“
„Das wäre wirklich schön“, meinte Monica. „Vielleicht kriegst du es noch.“ Sie ließ sich von ihm seinen Garten zeigen, die Komposter, den Grillplatz, die Hochbeete, die Stelle wo er ein Gartenhaus bauen wollte, die überdachte Terrasse, die Stelle an der er einen Gartenteich anlegen wollte.
Stephan schaute Monica immer wieder an. Er konnte die Augen nicht von ihr abwenden. Sie trug eine Bluse, der man ansah, dass sie nicht von der Stange war. Monica nähte selbst, fiel ihm ein. Schon in der Schulzeit war sie mit coolen Klamotten angekommen, die sie daheim an der Nähmaschine selbst genäht hatte, oder sie hatte ein handgestricktes Cape getragen und selbstgemachte Häkelmützen. Als er, Matthias und Dominik um Häkelmützen baten, hatte sie jedem eine angefertigt. Die Dinger waren in der Klasse so gut angekommen, dass weitere Jungs um eine solche Mütze baten.
Zuletzt zeigte er ihr sein Bastelzimmer.
Sie beäugte das fast fertige Modellauto auf dem Tisch: „Ein Morgan! In British Racing Green. Mit schwarzen Speichenrädern.“ Sie setzte sich, schaltete die Tischlampe ein und betrachtete das Modell: „Tolles Auto. So eins habe ich mir immer gewünscht. Weißt du noch, als dieses Luftschiff hinter der Stadt landete? Als die diesen Oldtimerflugtag abhielten? Wir sind alle hingegangen, Dominik und Pia, Matthias und Astrid und du und ich. Damals waren wir sechzehn. Als wir hinkamen, stand genau so ein Wagen auf dem Parkplatz auf der Wiese. Ich habe mich sofort in das Fahrzeug verliebt.“
„Mir gefallen Morgans auch“, sagte Stephan.
„Ich habe eine DVD“, sagte sie. „Eine Doku über britische Sportwagen. Da geht es auch um den Morgan, wo er hergestellt wird und um Clubs, die gemeinsame Ausfahrten über die Landstraßen machen.“
„Ich bin am überlegen, ob ich mir vielleicht einen zulegen soll“, meinte Stephan. „Nicht den Achtzylinder. Der kostet zu viel. Aber vielleicht den großen Vierzylinder mit der Zweiliter-Maschine.“ Er zeigte auf das Modell: „In genau der Farbe und mit schwarzen Speichenrädern. Aber ich muss erst das alte Haus in Runsach loswerden. Im Moment klemmt es ein wenig mit dem Geld. Ich komme gut zurecht, aber es fehlt halt an allen Ecken und Enden.“
Monica stand auf. Sie stand direkt vor ihm: „Ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du es bald verkaufst, Stephan.“ Sie schaute ihm in die Augen.
Er schaute zurück. Schweigend standen sie einander gegenüber. Sie waren einander nahe; sehr nahe. Stephan sah im Augenwinkel, wie sich der Leutnant diskret zurückzog. Er war ganz Erstaunen und Verwunderung. Was für ein Hund.
Dann vergaß er seinen treuen Freund für eine ganze Weile. Er sah nur noch Monica.
Ein Schritt, dachte er. Nur ein Schritt trennt mich von ihr. Er nahm allen Mut zusammen und machte den Schritt. Sie kam ihm entgegen.
Es war wie im Film. Plötzlich lagen sie einander in den Armen und dann küssten sie sich. Einfach so.
Noch nie hatte Stephan etwas Ähnliches erlebt. Ihm war, als schwänden ihm die Sinne. Er wollte Monica nie mehr loslassen. Nie mehr.
Sie unterbrachen die intime Zärtlichkeit und blickten einander tief in die Augen. Sie waren ein Paar. Seit langem schon. Er hatte es bloß nicht gewusst. Sie mussten nicht warten. Sie mussten sich nicht kennenlernen. Sie kannten einander seit Ewigkeiten.
Stephan blickte nach rechts zur Tür, die zum Schlafzimmer führte. Sie verstand ihn wortlos.
Sie gingen Arm in Arm hinüber, schlossen die Tür hinter sich und dann vergaßen sie alles um sich herum.

09.03.2015 13:58 Stefan Steinmetz ist offline Email an Stefan Steinmetz senden Beiträge von Stefan Steinmetz suchen Nehmen Sie Stefan Steinmetz in Ihre Freundesliste auf
Zaunkönig
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Dabei seit: 12.03.2011
Beiträge: 58

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Sehr schön und rührend! Da hat Stephan ja mal das große Los gezogen smile)

09.03.2015 23:54 Zaunkönig ist offline Email an Zaunkönig senden Beiträge von Zaunkönig suchen Nehmen Sie Zaunkönig in Ihre Freundesliste auf
 
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