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Stefan Steinmetz
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Dabei seit: 10.02.2006
Beiträge: 1732

Der Elfenmacher(9) Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       IP Information Zum Anfang der Seite springen

Maria Pfeifer saß am Küchentisch. Sie starrte das kleine Paket an wie das Kaninchen die Schlange. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie atmete hektisch und ihr war schlecht vor Angst.
Ein Paket.
Nach elf Tagen.
Ein kleines Paket.
Und sie hatte nirgends etwas bestellt.
Das Paket hatte einen Absender. Den hatten sie immer gehabt. Alle. Man musste auf der Post einen Absender angeben. Aber Maria Pfeifer war sicher, dass sich diese Adresse als falsch erweisen würde; genauso falsch wie die anderen.
Aufgegeben war das Paket in einer fünfzig Kilometer weit entfernten größeren Stadt, auf einem Postamt in dem sich kein Mensch an denjenigen erinnern würde, der dieses spezielle Paket auf die Reise geschickt hatte.
Maria konnte sich nicht rühren. Als der Mann von der Post ihr das Paket ausgehändigt hatte, hatte sie auf seinem elektronischen Handpad unterschrieben und das Paket in die Küche getragen. Erst unterwegs keimte der Verdacht in ihr auf. Das Entsetzen fiel sie an wie ein unsichtbares Raubtier.
Marie Pfeifer fing an zu zittern. „N-Nein“, presste sie hervor. Ihre Stimme war nur ein leises Wimmern. Sie hörte drunten jemanden die Bäckerei betreten. Ihre beiden Angestellten bedienten eine Frau aus der Nachbarschaft. Ihr Mann Adam war mit zwei Leuten einer Ofenbaufirma in der Backstube, um sich einen Kostenvoranschlag für einen neuen Ofen machen zu lassen.
„Nein!“ Noch einmal wimmerte Maria Pfeifer das Wort. „Nein! Bitte nicht!“
Doch das änderte nichts an dem Paket auf dem Tisch. Es ließ das kleine eckige Ding aus brauner Pappe nicht verschwinden, obwohl Maria alles dafür gegeben hätte, wenn es sich in Luft aufgelöst hätte.
Sie gab sich einen Ruck. Mit mechanischen Bewegungen schnitt sie die Klebebandstreifen durch, die das Paket verschlossen. Langsam öffnete sie den Deckel. Zum Vorschein kam zusammengeknülltes Papier. Unter dem Papier lag etwas.
„Nein!“ Jetzt traten Maria Tränen in die Augen. „Bitte nicht! Oh bitte nicht!“
Ganz langsam bewegte sie die Hand, so langsam wie jemand der eine Bombe entschärfen wollte. Sie packte das geknüllte Papier und hob es an.
Atemlos starrte sie auf das, was darunter lag.
„Churchill!“ Marias Stimme war nur ein Flüstern. „Churchill!“
Deutlich erkannte sie den langen, tiefen Kratzer, den die Krallen des Katers in die schmale Hand gerissen hatten. Der Riss war nicht mehr frisch und rot. Er war fast verheilt. Der Kratzer sah aus, als sei er eine Woche alt und kurz vorm Verschwinden.
Eine Woche.
„Sie hat eine Woche lang gelebt.“ Marias Stimme versagte. Sie brachte nur ein leises Zischen zustande. „Eine Woche.“ Der Kratzer war abgeheilt.
„Churchill!“ wisperte Maria Pfeifer noch einmal. Dann schrie sie den Namen des Katers: „CHURCHILL!“
Churchill hatte den Kratzer gemacht. Den Kratzer auf der Hand.
In dem geöffneten Paket lag die Hand ihrer zehnjährigen Tochter Jacqueline, am Handgelenk sauber abgesägt.
Maria Pfeifer schrie. Sie schrie als ihr Mann in die Wohnung herauf kam. Sie schrie als der Arzt eintraf. Sie schrie auch noch, nachdem der Doktor ihr eine Spritze gegeben hatte, nur dass nun kein Laut mehr über ihre Lippen kam. Sie schrie im Innersten ihrer Seele.
Maria Pfeifer wusste, dass sie den Rest ihres Lebens immer wieder so schreien würde. Es würde sie verfolgen und nie mehr loslassen. In ihren Alpträumen würde sie immer die abgesägte Hand ihrer Tochter sehen. Und schreien.

*

„Was ist das denn?“ Apollonia Kolbe stand mitten auf der Straße und starrte das Ding vor Eugen Niedermeyers Haus an. „Ist das ein Ufo?“
Stephan brach in brüllendes Gelächter aus. Ihm blieb vor Lachen die Luft weg. Eugen stand dümmlich grinsend neben seinem „Ufo“.
Polly schaute den Leiterwagen an. Es war einer dieser altmodischen Handkarren aus Holz mit hohen hölzernen Speichenrädern mit Eisenreifen. Früher hatte es die überall auf dem Land gegeben. So weit so gut, nur dass das Exemplar, das vor Niedermeyers Haus stand nicht aus naturfarbenem Holz bestand. Eugens Teil war in grellbunten Farben angestrichen. Die Räder waren neongrün mit blutroten Speichen. Der untere Teil des Wagenkastens war gelb wie ein Kanarienvogel. Darüber dräute ein breiter Streifen in leuchtendem Orangerot, wie man es von Warnwesten kannte, und ganz oben war das Ding neonrosa angemalt. Die Innenseite des seltsamen Gefährts war himmelblau lackiert und der Boden in quietschendrotem Lack gehalten. Als hätte das nicht gereicht, war der Wagen mit goldenen Sternchen versehen. Die Deichsel mit dem T-Griff war giftgrün, der Handgriff blutrot.
„Das ist tatsächlich ein Ufo“, feixte Stephan. „Ein Unglaubliches Fahr Objekt.“ Er prustete. Auch Polly grinste.
Eugen Niedermeyer schaute sie todernst an: „Was seid ihr doch für eine fiese Bande. Eins sag ich euch: Ihr seid unruhig. Ihr seid viel zu verkrampft.“
Da brüllten Stephan und Polly laut los. Sie kriegten sich nicht mehr ein vor Lachen.
„Das ist ein echtes Designerstück!“ Eugen schmollte. „Von Eusebius van Gorken, dem berühmten Farbkünstler. Es ist sogar signiert.“
Stephan krümmte sich vor Lachen. „Krch-Krch! Den Prozess gewinnst du, Eugen!“
Eugen streckte die Nase in die Luft: „Banausen! Kunstbanausen!“ Dann lachte er mit.
Als sie sich alle drei wieder eingekriegt hatten, erklärte er das Unglaubliche Fahr Objekt: „Ich habe es ersteigert. Auf einer Wohltätigkeitstombola. Es ist ein handbemaltes Original von dem bekannten Avantgardekünstler Eusebius von Gorken. Der bekannte Aktionskünstler! Er hat es gespendet. Es wurde Geld für AIDS-kranke Kinder gesammelt. Also tat ich ein gutes Werk.“
„Na dann wollen wir es grade mal noch durchgehen lassen“, prustete Stephan. „Lass uns die Fracht aufladen. Ich hol schon mal den Ebbelwoi.“
„Und ich das Guinness“, sprach Eugen.
„Kann ich helfen?“ fragte Polly. Sie streichelte den Leutnant, der die ganze Zeit in stoischer Ruhe neben der Lachbande gestanden hatte.
„Wenn du willst, kannst du helfen, Apfelweinflaschen zu schleppen“, sagte Stephan. „Oder ich nehme die schweren Flaschen und du das leichte Futter. Habe wieder grobe Bauernbratwürste besorgt. Ich bin süchtig nach den Dingern.“
Polly folgte ihm ins Haus. Drinnen schaute das Mädchen sich neugierig um. Vor der Vitrine mit den Modellautos blieb sie stehen: „Das sind coole Autos!“
Stephan kam mit einem Sechserkasten Apfelwein um die Ecke: „Die meisten sind Oldtimer. Mir gefallen die Schlitten aus den Dreißigerjahren am besten. Dann noch die amerikanischen Straßenkreuzer der Fünfziger.“
Polly schaute die Modelle genau an: „Hast du die alle selber gebaut?“
Stephan nickte: „Ja. Das ist ja das Schöne: Ein Auto aus zig Einzelteilen zusammenbauen. Mach ich gerne.“ Er zeigte zur Küche: Die Würste sind im untersten Fach im Kühlschrank. In einer Tüte.“
Polly holte die Fressalien. Gemeinsam trugen sie alles nach draußen. Der Leutnant sauste neben ihnen her und bewachte den Verpflegungstreck. Sie luden alles in Eugens Ufo.
Niedermeyer brachte mehrere Sixpacks herbei und eine Tüte mit aufgedrucktem Fisch: „Ich habe Seefisch besorgt. Den habe ich mariniert. Der wird auf dem Grill in Alufolie gebacken. Ihr werdet sehen, das schmeckt.“
„Fisch? Aber immer“, sagte Stephan. „Ich esse gerne Fisch.“
„Ich auch“, sagte Polly. „Gehen wir?“
Stephan ergriff die Deichsel des Ufos: „Ein Esel zieht, der andere Esel schiebt.“
Eugen packte die Hinterwand des knallbunten Leiterwagens und begann zu schieben: „Auf geht’s! I-AAH!“
„I-AAH!“ rief Stephan.
Polly lachte. Der Leutnant auch.
Unter Gekichere und I-AAH-Geblöke fuhr die bunte Fuhre aufs Kolbesche Grundstück. Sandra kam gerade aus der Hintertür. Als die das Ufo sah, riss sie die Augen auf: „Was …?“
„...ist das denn?“ riefen Polly, Stephan und Eugen im Chor.
„Ist ...“, begann Sandra.
„... das ein Ufo?“ kreischte das schiebende und ziehende Trio lachend.
„Uff!“ machte Sandra.
Georg kam aus dem Haus. Sandra zeigte auf Eugens Spezialgefährt: „Da! Guck mal!“
Georg guckte. „Wow!“ rief er. „Ein echter Eusebius van Gorken!“
„Ein was?“ fragte Sandra. Sie wirkte einigermaßen fassungslos.
„Eusebius van Gorken“, wiederholte Georg. „Das ist ein ganz Berühmter, Schätzchen. Man weiß aber nicht so genau, ob er ein von oder ein van ist. Aber berühmt ist er. Ein berühmter Sohn Achens. Lebt heute in München. Kommt aber immer wieder zurück in seine geliebte Heimatstadt, um in seinem Atelier zu arbeiten. Ein Avantgardekünstler. Sag bloß, den kennst du nicht. Hach! Der gute Eusebius ist doch bekannt wie ein bunter Hund. Der bemalt Fahrzeuge in „lebendigen Farben“, wie er das so nennt. Er hat diesem Typen aus Hollywood, der immer in den Actionfilmen mitspielt den Rolls Royce bunt angemalt.“ Georg nahm das Ufo näher in Augenschein. „Aber dem hat er keine Sternchen drauf gemalt sondern neonrosa Pimmel so groß wie Dackel.“
„Bffft“, machte Stephan. Dann grölte er wieder los. Auch Eugen lachte mit. Polly ebenfalls. Sandra stand immer noch da wie Lots Weib zur Salzsäule erstarrt und blickte das Ufo misstrauisch an.
Georg schüttelte den Kopf über die Lacher: „Nun kriegt euch wieder ein. Nehmt euch zusammen. Ihr seid unruhig. Ihr seid viel zu verkrampft.“
Nachdem alle fertig gelacht hatten, wurde Eugens Ober-Geiles-Gefährt entladen und der Grill mit Holzkohle bestückt. Polly half ihrer Mutter, die Salate raus zu bringen. Danach setzte sie den Leutnant ins Ufo und zog ihn über den Rasen. Der Spitz hockte grinsend im Wagen und ließ sich kutschieren. Wenn Polly nicht richtig feste zog, bellte er auffordernd.
„Ich will auch so ein buntes Ufo“, rief Polly den Erwachsenen zu.
„Ich kann dir eins bauen“, bot Stephan an. „Ich muss nur zusehen, wo ich die Eisenreifen herbekomme. Ich arbeite gerne mit Holz. So einen Wagen zu konstruieren ist eine Herausforderung.“
Polly schaute Stephan an.: „Das tätest du echt machen?“
Ihr Blick ging ihm durch und durch. Er musste sich räuspern, bevor er antworten konnte: „Ja Polly. Gerne. Mir macht Arbeit mit Holz Spaß und ich habe ja viel Zeit, weil ich als Lottomillionär nicht arbeiten gehen muss.“
„Hast du schon mit den Modulen für Sir Henrys Schweinerei angefangen?“ wollte das Mädchen wissen.
Stephan hatte das Gefühl, in ihren Augen zu ertrinken. „Nein.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich bin noch an den Planzeichnungen. In solch einem Fall darf man nicht wild drauflos bauen. Es muss ja alles passend gefertigt werden. Morgen fahr ich Holz besorgen. Dann fange ich in den nächsten Tagen an.“
„Ich lege was drauf auf das Holz“, sagte Pollys Vater.
„Ist echt nicht nötig, Georg“, meinte Stephan. „Ich bekomme gute Konditionen in der Schreinerei in Achen, weil ich da alles Holz einkaufe, das ich zum Möbelbauen benötige. Die machen mir einen guten Preis, weil ich größere Mengen abnehme. Ich baue jede Menge Sachen für meine Freunde: Kleidertruhen, Garderobenschränke, Regale, Hocker, Gartenstühle und alles mögliche. Ich arbeite gerne mit den Händen. Nichts ist befriedigender als etwas unter den eigenen Händen entstehen zu sehen.“
Sie brieten und grillten und backten ihr Essen und dann setzten sie sich zu Tisch und futterten, was das Zeug hielt. Auch der Leutnant durfte an der Schlacht am Buffet teilnehmen. Er bekam eine halbe Bauernbratwurst und etwas Backfisch ohne Gewürze. Der Fisch mundete sehr gut. Besonders Polly und Stephan langten tüchtig zu.
„Fisch ist super“, sagte Stephan. „An Fisch könnte ich mich totfressen.“
Kaum waren sie mit Essen fertig und hatten den Tisch abgeräumt, erschien ein Mädchen in Pollys Alter am Gartenzaun. Es trug ein Kästchen aus Korbgeflecht in der Hand: „Hi, Polly.“
Polly sprang auf: „Hi, Dunja. Komm rein. Hast du Sir Arthur mit?“
Dunja hob das Korbkästchen: „Ja.“
Polly winkte: „Komm. Setz ihn zu Sir Henry in den Käfig. Mensch Dunja, stell dir vor! Wir machen hier eine riesen Schweinerei! Eine ganz große!“
Die zwei Mädchen setzten die beiden Meereber zusammen in den Käfig und Polly begann ihre zukünftige Schweinerei in glühenden Farben zu beschreiben. Ihre Freundin hörte mit leuchtenden Augen zu.
„Das ist ja so was von cool! Dann können wir die beiden laufen lassen und zusehen, wie sie Stockwerk für Stockwerk erobern.“ Plötzlich runzelte Dunja die Stirn. Sie starrte mit offenem Mund.
Alle folgten ihrem Blick.
„Was...?“ begann das Mädchen.
„...ist denn das?“ grölten alle im Chor. „Ist das ein Ufo?“ Alles lachte. Dunja blickte irritiert von einem zum anderen und dann wieder zu Eugens „Ungeheuer Farbigem Objekt“.
„Das hat ein berühmter Künstler gemacht“, erklärte Polly. „Das ist Eugens geiles Gefährt.“
Jetzt lachten die Erwachsenen noch lauter. Sie kriegten sich gar nicht mehr ein.
Dunja schaute leicht verdattert.
Polly legte ihr einen Arm um die Schultern: „Lass sie! Gib nichts drauf! Die sind unruhig. Die sind viel zu verkrampft.“ Worauf die Heiterkeit einen neuen Höhepunkt erreichte. Nur Dunjas Lächeln wirkte etwas gequält.
Eugen Niedermeyer kam über den Rasen zu den beiden Mädchen. Er hielt seinen Bierseidel mit Zinndeckel in der Hand und schaute zu den beiden Meerschweinchen im Käfig hinunter: „Allerliebst, die zwei beiden.“ Eugens blaue Augen leuchteten. „Die beiden mögen sich wirklich. Das sieht man.“
„Das war schon immer so“, sagte Dunja, froh um die Ablenkung. „Schon als sie wir sie gekriegt haben und sie noch klein waren, hatten sie sich gern.“
Eugen lächelte breit: „Halt so eine richtige Männerfreundschaft.“
Eine Zeitlang spielten die beiden Mädchen mit ihren Meerschweinchen. Sie bezogen auch den Großspitz in ihr Spiel mit ein. Der Leutnant ließ sich das gerne gefallen. Vor allem, weil er mindestens so viel geknuddelt wurde wie die zwei Meereber zusammen.
Die Großen saßen am Tisch, tranken und erzählten sich Anekdoten aus ihrem Leben.
Stephan schaute gelegentlich zu den beiden Mädchen hin. Er musste nicht befürchten, dass das auffiel, denn er schaute ja eigentlich nach seinem Hund. In Wirklichkeit blickte er Polly an. Er fühlte sich seltsam. Das Mädchen zog ihn an und gleichzeitig fand er das absolut nicht in Ordnung. Es war nicht normal, wenn ein erwachsener Mann einem zehnjährigen Mädchen nachschaute. Aber Polly zog seine Augen an. Er konnte kaum den Blick von ihr wenden.
Was ist bloß los mit mir?, fragte er sich. Was zum Kuckuck geht ab? Wieso hat ein kleines Mädchen eine solche Wirkung auf mich? Bin ich vielleicht ein verkappter … so einer? Einer der auf kleine Mädchen abfährt?
Schnell schob er den Gedanken beiseite. Stephan Harrer und pädophil? Nein danke! Bitte nicht! Gar nicht erst dran denken!
Aber wenn es so wäre? Was dann?
Stephan trank einen großen Schluck Apfelwein. Diese Gedanken gefielen ihm nicht.
Ich stehe auf erwachsene Frauen, dachte er.
In seinem Kopf ertönte eine leise Stimme: „Es gibt auch Pädophile, die auf erwachsene Frauen abfahren und die trotzdem was mit kleinen Mädchen wollen.“
Halt die Schnauze!, fuhr Stephan die Stimme in seinem Kopf an. Halt einfach das Maul, ja?!
Polly kam an den Tisch. Sie hängte sich an ihre Mutter: „Du Mutti?“ Sie zupfte an Sandras T-Shirtärmel: „Ich hätte gerne eine eigene Nähmaschine. So eine wie Dunja hat. Eine Artex 4000. Die kann unheimlich viel. Die ist elektrisch und elektronisch. Die hat Programme für siebzehn verschiedene Nähte und sie kann automatisch Knopflöcher nähen. Laut Stiftung Warentest ist die Artex die beste Nähmaschine im mittleren Preissegment bei den elektronischen Nähmaschinen.“
„So, so“, meinte Sandra. „Die beste von allen.“
Polly nickte eifrig: „Ja, und sie kostet nur vierhundert Euro.“
Ihre Mutter zog die Brauen hoch: „Nur?“
„Ja Mama, du musst auch sehen, welch einen Gegenwert du für das Geld bekommst“, rief Polly. „Die Artex ist der Klassensieger beim Test. Die ist prima und sie hält ewig.“ Sie schaute ihre Mutter bittend an: „Wo ich doch bald Geburtstag habe.“
Ihr Vater mischte sich ein: „Leider haben wir bereits all deine Geburtstagsgeschenke, Polly.“
Polly zog einen Flunsch: „Ooch! Wo ich die Artex so gerne möchte. Dunja hat auch so eine. Die hat sie zum Geburtstag gekriegt als sie zehn wurde. Wenn ich eine eigene Nähmaschine hätte, müsste ich nicht immer warten, bis Mutti mit ihrer rausrückt. Die ist doch dauernd besetzt! So lerne ich nie richtig nähen, wenn ich immer nur warten muss. Mutti näht ja selber andauernd. Bitte! Ich muss die Artex un-be-dingt haben. Ehrlich!“
Georg schmunzelte: „Ich sehe schon. Du wirst sterben, wenn du diese famose Nähmaschine nicht bekommst.“
„Ja genau!“ rief Polly. „Kinder können an so was sterben. Gebrochenes Herz oder so.“
Georg gab sich sichtlich Mühe, nicht laut loszulachen. Das gelang ihm nicht recht.
Polly schaute beleidigt: „Du bist echt garstig, Papa. Was gibt’s da zu lachen? Dunja hat die Artex gekriegt.“
Ihr Vater seufzte vernehmlich: „Nun ja Polly. Deine Freundin hat Großeltern, die eine recht erkleckliche Pension beziehen. Ich nehme an, die haben den Löwenanteil auf die Maschine draufgelegt.“ Er schaute zu Dunja hin: „Habe ich Recht?“
Dunja nickte: „Die Oma Lotte und der Opa Karl haben hundertfünfzig gegeben und die Oma Annegret und der Opa Herbert hundert. Den Rest haben Mama und Papa gegeben.“
„Da hörst du es, Polly. Leider sind deine Großeltern finanziell nicht so gut ausgerüstet und deine Mutter und ich können keine zusätzlichen vierhundert Euro geben. Tut mir leid.“
Polly ließ den Kopf hängen: „Och! Ich will die Artex aber doch so doll! Es ist doch eine nützliche Anschaffung! Das ist kein Spielzeug. Damit kann ich mir selber Kleider nähen.“
Georg zog seine Tochter in seine Arme. Er drückte ihr einen Kuss auf die Wange: „Na wart mal ab. Vielleicht bringt dir das Christkind zu Weihnachten die Nähmaschine.“
„Das ist ja noch ein halbes Jahrhundert!“ jammerte Polly. „So lange kann ich nicht warten!“
Georg drückte sie: „Das wirst du leider müssen, mein geliebtes Kind. Ich hoffe, du wirst deswegen nicht sterben.“
Polly löste sich von ihm: „Doch! Und wie!“ Sie kniete vor dem Leutnant und umhalste den Spitz: „Die sind alle garstig. Nur du nicht, Leutnant. Du verstehst mich, gell?“
„Waff“, sagte der Leutnant und leckte Pollys Gesicht.

Im Lauf des Nachmittags überwand Polly ihren Gram und spielte mit Dunja und dem Leutnant im Garten der Kolbes.
Die Erwachsenen unterhielten sich glänzend und man beschloss, in Zukunft öfter mal zusammen zu grillen.
„Ihr müsst natürlich auch mal zu mir kommen“, sagte Stephan. „Mein Grillplatz ist fertig. Ich will aber noch ein Gartenhäuschen bauen für schlechteres Wetter. Ich will in meinem Garten auch einen richtigen Backofen aufstellen, am besten direkt bei dem Häuschen. Dort kann man Brot selber backen. Einen solchen Ofen habe ich mir schon immer gewünscht. Man kann experimentieren mit verschiedenen Brotsorten und Brötchen.“
„Brot und Brötchen“, sagte Sandra Kolbe. Sie war mit einem Mal sehr ernst: „Ihr habt das mit dem Bäckerehepaar aus Runsach mitbekommen? Deren Tochter ist entführt worden. Heute Vormittag kam es in den Nachrichten: Die Pfeifers haben ein Paket bekommen. Drinnen lag die abgesägte Hand ihrer Tochter.“
„Mein Gott!“ sagte Eugen Niedermeyer. „Nicht schon wieder!“
„Zum Verrücktwerden ist das“, sagte Georg. „Da geht einer um und raubt kleine Mädchen und keiner kann etwas dagegen unternehmen. Diese Hilflosigkeit! Das macht einen verrückt. Schier verrückt!“
„Ja“, sagte Eugen. „Das ist wirklich furchtbar. Und dazu noch hier in unserer friedlichen Gegend. Wer hätte das gedacht. Es ist entsetzlich, was man den armen Eltern antut.“
„Erst recht, was man den armen kleinen Mädchen antut“, sagte Sandra. Sie schaute zu ihrer Tochter hin, die mit dem Leutnant und Dunja vor dem Meerschweinchenkäfig kniete und die kleinen Schweinchen streichelte. „Da wird es einem ganz anders, als Mutter eines Mädchens in dem Alter.“

15.02.2015 18:57 Stefan Steinmetz ist offline Email an Stefan Steinmetz senden Beiträge von Stefan Steinmetz suchen Nehmen Sie Stefan Steinmetz in Ihre Freundesliste auf
Bianca Bianca ist weiblich
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ich hab die letzten Kapitel direkt nacheinander gelesen,...

ich bin echt mal gespannt was der Stephan treibt wenn er sich durch den Erdstall in die Kapelle und den Nachbarort schleicht...

und wer der Schrazl ist, das wüsste ich auch zu gern...

16.02.2015 10:02 Bianca ist offline Email an Bianca senden Homepage von Bianca Beiträge von Bianca suchen Nehmen Sie Bianca in Ihre Freundesliste auf
 
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