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Stefan Steinmetz
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Dabei seit: 10.02.2006
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Der Elfenmacher(40) Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       IP Information Zum Anfang der Seite springen

Arne Ellerbrok, Runsach:
Leonhard Kowak streitet alles ab. Achim Meese hat mir erzählt, dass er die Polizei schlicht in den Wahnsinn treibt mit seinen Schwafeleien. Wenn er nicht weiter weiß, fängt er an zu heulen, wobei er nie vergisst, seine Unschuld zu beteuern.
Kowak ist ein Einzelgänger. Schon als Kind war er ein Eigenbrötler, der sich nichts aus Hobbys wie Fußball oder Turnen machte. Er war von Kindheit an immer für sich allein. Seine Hobbys sind Briefmarken und alte Bücher.
Dass er überhaupt geheiratet hat, war ungewöhnlich. Alle haben sich damals gewundert, denn Leonhard hatte vorher nichts mit Frauen am Hut. Vor drei Jahren ging die Ehe in die Brüche. Sie blieb kinderlos. Zeugen sagten aus, Kowaks Exfrau habe sich von ihm getrennt, weil er „komisch“ war.
Leonhard Kowak lebt in einem kleinen Haus am unteren Dorfende, nicht weit von der Ache entfernt. Das Haus hat er mit zwanzig Jahren geerbt. Man hat den Keller untersucht, aber nichts gefunden. Das will nichts heißen, sagt Achim. Der wird wohl ein Versteck eingerichtet haben, wo er die Mädchen gefangen hält.
„Es ist zum Verrücktwerden“, sagte Achim zu mir. „Der Kerl stellt sich quer. Der will uns das Versteck nicht verraten. Dabei zählt jede Stunde. Das Mädchen ist in höchster Gefahr. Manchmal wünsche ich mir, dass wir beim Verhör härter zupacken dürften. Mensch! Da sitzt irgendwo eine Elfjährige und verhungert womöglich, während der Kowak uns was vorflennt!“
Sie haben seinen Computer kassiert und interessante Dinge gefunden.
Zum einen mehrere Artikel über die richtige Anwendung von Äther, die er aus dem Internet gefischt hat. Zum anderen gibt es Aberhunderte von Fotos von Mädchen im Alter von zehn bis elf Jahren. Einige dieser Bilder sind laut Achim Meese durchaus als grenzwertig anzusehen. Die Mädchen sind nur spärlich bekleidet in Bikinis oder Shorts und kleinem Oberteil und sie posieren auch ein wenig, aber sie seien nicht grenzwertig genug, um Kowak ernsthaft am Zeug zu flicken.
In einer Schublade seines Schreibtischs fand man zwei weitere Fläschchen Äther. Kowak wollte sich dazu nicht recht äußern. Er behauptete, es sei nicht verboten, Äther zu besitzen. Er habe schon seit einer Weile geplant, mit dem Sammeln von Schmetterlingen anzufangen, sei sich aber der rechtlichen Situation nicht sicher gewesen. Er wusste nicht, ob man das heutzutage überhaupt noch darf. Diese Behauptung wird unterstützt durch mehrere Bücher übers Schmetterlingssammeln. Drei der Bücher sind uralt. Zwei stammen aus den dreißiger Jahren und eins aus den Fünfzigern. Ein Buch ist neu. Es kam vor einem Jahr heraus.
Meese hält das alles für geschickte Tarnung.
Zu den Bildern meinte Kowak, dass es nicht verboten sei, Fotos von Menschen zu sammeln, auch nicht von Zehnjährigen. Die stünden ganz legal im Internet und es sei ebenso legal, sie sich anzuschauen.
Als die verhörenden Beamten ihm mehr zusetzten, gestand er, dass er diese Bilder sammele, weil sie ihn an seine früh verstorbene Cousine Tatjana erinnerten. Tatsächlich sind die meisten Mädchen auf den Fotos dunkelhaarig wie die Mädchen der Kowaks. Doch blonde und rothaarige sind mehr als genug dabei. Da läge es am Gesicht, gab Kowak an. Das hätte eine große Ähnlichkeit.
Ein Beamter hat anhand alter Aufnahmen von Tatjana Kowak festgestellt, dass Kowaks Angaben tatsächlich stimmen. Alle Mädchen auf den gesammelten Fotos ähneln Tatjana.
Tatjana war zehneinhalb, als sie bei einem Unfall ums Leben kam.
Verwandte und Bekannte bezeugen, dass Leonhard und seine Cousine ein enges Verhältnis hatten. Sie seien einander zugetan gewesen.
„Geradezu unzertrennlich waren die zwei“, hat Lieselotte Kowak ausgesagt. „Die klebten aneinander wie Kletten. Alles haben sie gemeinsam unternommen. Sie gingen zusammen zur Schule, ins Freibad und zum Schlittenfahren. Sie waren wie Zwillinge.“
Soweit so gut. Aber die Polizei hat festgestellt, dass alle entführten Mädchen den Bildern auf Kowaks Rechner erschreckend ähnlich sehen. Das gibt zu denken.
Leonhard Kowak sitzt in Untersuchungshaft. Achim Meese meint, der wird schon noch zusammenbrechen und dann singt er. Es dauert halt. Schlimm für das entführte Mädchen. Sehr schlimm.

*

Bei Kolbes im Garten war Salattag. Es gab Pollysandrasalate in allen möglichen Geschmacksrichtungen. Auch Monica hatte zwei Schüsseln mit Salat zum Picknick beigesteuert, eine Schüssel mit gemischtem grünen Salat und einen Tomatensalat aus Tomaten in allen möglichen Farben von Rot über Gelb und Orange und fast schwarz. Die Köstlichkeiten waren im Harrerschen Garten gereift.
Mittlerweile wohnte Monica bei Stephan. Ihre Kopfschmerzen waren besser geworden, aber nicht ganz verschwunden. Sie wollte die Therapie machen, die ihr Arzt ihr vorgeschlagen hatte.
Auf den berühmten Meeresfrüchtesalat vom Bienerich mussten sie verzichten. Der Gute hatte sich damit entschuldigt, dass er bis zum Hals in Arbeit stecke; das traurige Schicksal eines Selbstständigen in der Anfangsphase. Er musste ran, ob er wollte oder nicht.
„Ich glaube, der schmollt nur“ sagte Sandra mit einem Augenzwinkern zu Stephan. „Weil er dich nicht mehr anhimmeln kann, der Arme.“ Sie zuckte die Achseln: „Mir egal. Das ist seine Sache. Ich hatte ihn immer gerne dabei. Er war nett und charmant und er konnte sehr witzig sein. Schade, dass er sich in letzter Zeit etwas rar macht. Vielleicht gibt sich das wieder.“
Polly spielte zusammen mit Chayenne, die auch eingeladen war, mit den Meerschweinchen. Die Mädchen waren ganz vernarrt in die niedlichen Jungschweinchen. Chayenne berichtete, dass ihr Papa angefangen hatte, eine Schweinerei nach Stephanschem System an die Wand der Holzscheune zu bauen. Zwei Stockwerke waren schon fertig.
„Wenn du willst, kannst du es dir mal ansehen“, sagte Chayenne zu Polly. „Du hast wenigstens ein gescheites Fahrrad und musst nicht mit so einem kleinen Kinderrädchen kurbeln.“ Sie lächelte Polly an: „Ich kriege aber bald ein richtiges Fahrrad. Der Opa Siegfried hat es mir versprochen. Bald habe ich Geburtstag. Dann schenkt er mir eins.“ Sie schaute Polly mit ihren ausdrucksvollen dunkelblauen Augen an: „Mein Geburtstag, Polly … also, ich … ich würde dich gerne einladen. Wenn du möchtest. Dunja auch. Ich … ähm … also am Tag meines Geburtstages feiere ich mit meiner ganzen Familie. Das machen wir immer so. Alle kommen und gratulieren und machen Geschenke.
Aber ich könnte Mama fragen, ob ich ein paar Tage später nochmal feiern dürfte. Einen echten Kindergeburtstag halt. Mit meinen Freundinnen.“ Chayenne blickte zu Boden. „Ich … ich hatte ja nie Freundinnen, die ich hätte einladen können. Mich hat auch keine eingeladen.“
„Du bist noch nie zu einem Geburtstag eingeladen worden?“ fragte Polly.
Chayenne schüttelte stumm den Kopf. Polly musste schlucken. Sie selbst wurde ständig von Mädchen aus der Schule zu Geburtstagsfeiern eingeladen und sie revanchierte sich natürlich. Auch sie feierte doppelt: Erst mit der Familie, mit Oma und Opa und Onkel und Tante und dann gab es eine extra Feier nur für sie und ihre Schulfreundinnen. Arme Chayenne. Wie musste sich das anfühlen, wenn man von allen Kindern geschnitten wurde!
Chayenne hob das Gesicht und blickte Polly an: „Vielleicht könnten wir bei Oma und Opa feiern. Oma backt den besten Kuchen der Welt. Sie ist aus dem Krankenhaus zurück und wieder gesund.“
Chayenne schaute Polly verunsichert an: „Sag, würdest du kommen, wenn ich dich einlade?“
„Natürlich“, sagte Polly mit der allergrößten Selbstverständlichkeit.
„Und Dunja?“ piepste Chayenne. „Vielleicht will ihre Mama nicht, dass ihre Tochter zu einem Kowak-Mädchen auf den Geburtstag geht. Zu einer vom Gesocks.“ Chayennes Stimme erstarb. Sie sah so ängstlich und verschüchtert aus wie an jenem Tag, als sie Polly um Vergebung angefleht hatte.
Polly legte ihr einen Arm um die Schultern: „Die kommt bestimmt. Allein schon des Kuchens wegen. Dunja Wolf ist eine Kuchenfresserin. Wie der Wolf über die Schafe fällt sie über jeden Kuchen her.“ Sie drückte Chayenne: „Ich freue mich drauf, dich zu besuchen. Auf deine Schweinerei bin ich auch gespannt.“
„Sie ist nicht so toll wie deine“, sagte Chayenne. „Papa hat nur altes Holz zur Verfügung. Aber er hat tolle Sachen erfunden, damit die Meerschweinchen spielen können. Er will ein Labyrinth aus Pappröhren und kleinen Tunneln aus Brettchen bauen und noch mehr Zeug. Ich muss noch Heu besorgen. Wir haben nur eine kleine Wiese. Papa meint, das bisschen Gras reicht nicht.“
„Heu kriegst du das ganze Jahr über bei Habermanns“, sagte Polly. „Du kennst doch den Hof draußen hinter den Hügeln?“
„Ja“, antwortete Chayenne. Sie hob mit äußerster Vorsicht eins der jungen Meerschweinchen auf, setzte es auf ihren linken Unterarm, den sie an die Brust hielt, und streichelte es: „Ich glaube, ich möchte dieses haben. Es ist ganz zahm und kommt manchmal von allein zu mir und möchte hochgehoben werden.“
„Dann bekommst du es“, sagte Polly. „Und das Heu bekommst du auf dem Habermannhof. Die verkaufen auch kleine Mengen. Mama sagt, die haben Taschengeldpreise. Ich muss demnächst wieder hin. Ich fahre immer mit dem Rad und packe mir einen Stoffsack voll Heu auf den Gepäckträger.“
Nach dem Essen schauten die Mädchen mit Stephan Prospekte für Feldbahnloks an. Er hatte sie aus dem Internet heruntergeladen und ausgedruckt.
„Das da ist eine ganz kleine“, erklärte Stephan. „Schlecht wäre die nicht. Aber die Große gefällt mir einfach besser.“
Auch den Mädchen gefiel die größere Diesellok besser. Sie votierten für sie.
Stephan grinste die beiden an: „Ich denke, ich werde mich dem Wunsch der jungen Damen beugen.“ Sein Grinsen verbreiterte sich: „Weil es meinen eigenen Wünschen sehr entgegen kommt.“ Er schaute Chayenne an: „Jetzt geht’s dir sicher besser, seit du weißt, dass der Entführer im Knast sitzt, ja?“
Chayenne stand da und schaute ihn stumm an. Dann schüttelte sie den Kopf. Als sie sprach, war ihre Stimme so leise, dass man sie kaum verstand: „Ich glaube nicht, dass der Leonhard die Mädchen entführt hat. Es war der Schratzl, und der ist immer noch irgendwo da draußen.“

20.03.2015 22:03 Stefan Steinmetz ist offline Email an Stefan Steinmetz senden Beiträge von Stefan Steinmetz suchen Nehmen Sie Stefan Steinmetz in Ihre Freundesliste auf
 
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