Registrierung PM-BoxMitgliederliste Administratoren und Moderatoren Suche Häufig gestellte Fragen Zur Startseite  

Stefans Geschichten » Willkommen auf der Homepage von Stefan Steinmetz » Die kleine Privat-Ecke » Wenn der Rote Hahn kräht » Wenn der Rote Hahn kräht(1) » Hallo Gast [anmelden|registrieren]
Druckvorschau | An Freund senden | Thema zu Favoriten hinzufügen
Neues Thema erstellen Antwort erstellen
Autor
Beitrag « Vorheriges Thema | Nächstes Thema »
Stefan Steinmetz
Administrator




Dabei seit: 10.02.2006
Beiträge: 1778

Wenn der Rote Hahn kräht(1) Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       IP Information Zum Anfang der Seite springen

Prolog:

Es war kalt. Der Schnee lag einen halben Meter hoch. Das Jahr 1631 verabschiedete sich mit Eiseskälte. Aber in der natürlichen Höhle war es warm. Ein hohes Feuer brannte und wärmte die Menschen, die sich versammelt hatten. Sie waren gekommen, um zum Abschluss zu bringen, was sie im Frühling begonnen hatten.
Alle waren gekommen. Sämtliche Mitglieder der fünf Familien Theiß, Köhler, Hennes, Stolz und Dahl. Jung und Alt stand in der Höhle im Wald und betete.
Sie beteten nicht zu Gott. Sie beteten zu einem anderen. Sie riefen den hohen Fürsten der Nacht an.
So hatte es in dem uralten Buch gestanden, das Siegmund Theiß von seiner Reise mitgebracht hatte. Das Buch beschrieb die Rituale, die ausgeführt werden mussten, um den hohen Fürsten anzurufen. Sie hatten im Frühjahr die erste Messe in der Höhle gehalten. Es waren weitere gefolgt. Fünf Messen sollten es sein, so stand es geschrieben.
Und nach der fünften Messe erschien das Zeichen des Fürsten der Nacht. Die Familie Hennes war auserwählt worden, vom Ihm, dem hohen Fürsten der Nacht. Die Familie Hennes sollte dem Fürsten geben, was er verlangte. Dafür würde der Fürst ihnen Reichtum und Wohlstand ohne Ende schenken. Die Ältesten der fünf Familien hatten beschlossen, den Handel einzugehen und dem dunklen Fürsten zu geben, was er verlangte.
„Ihr sollt mir geben, eine auserwählte Jungfrau, die nie zu einer werden wird.“ Das waren die Worte, die sie während der letzten Messe vernommen hatten. Eine dunkle Stimme aus dem Inneren der Erde war aus dem hinteren Teil der natürlichen Höhle gekommen und wie wabernder Dampf über die Köpfe der Leute gestrichen. Sie hatten Kälte und Furcht gefühlt, aber auch Freude. Denn sie hatten es vollbracht. Sie hatten den Kontakt mit dem Dunklen hergestellt. Er war ihren Rufen gefolgt und hatte ihnen seine Gnade erwiesen.
Und heute Nacht, in der letzten Nacht des Jahres 1631, sollten sie dem Fürsten der Nacht geben, wonach ihn gelüstete.
Die Repräsentanten der fünf Familien hielten abwechselnd die Predigt. Nacheinander sprachen Siegmund Theiß, Dankmar Köhler, Arnold Hennes, Wernher Stolz und Marbod Dahl. Dann wandten sie sich zu fünft dem Ende der tiefen Höhle zu. „Hoher Fürst“, riefen sie. „Wir rufen dich an. Komm und sei mit uns. Nimm an, was wir dir übergeben. Nimm unser Opfer gnädig an. Lass die kalte Flamme in ihrem Herzen brennen auf ewig, bis zum jüngsten Tag. Sie soll dein sein auf immer. Komm zu uns hoher Herr. Wir bitten dich.“
Aus dem Hintergrund der Höhle erhob sich eine dunkle Stimme: „Ich bin gekommen. So gehet hin und gebt mir, was mir gehört.“
Die Anführer der fünf Familien verbeugten sich tief zum Höhlenende hin. „Wir danken dir, Erhabener“, sprachen sie. „So soll es sein.“
Die Ehefrauen gesellten sich zu ihren Männern. Sie führten ein Mädchen von zehn Jahren. Das Mädchen schaute die umstehenden Leute aus großen, vor Furcht geweiteten Augen an.
Marbod Dahl hob die Arme: „Lasst uns hingehen und tun, was zu tun ist. Wir gehen. Ihr anderen bleibt hier und betet.“
Die fünf Männer und Frauen stellten sich hintereinander, rechts die Männer, links die Frauen. Das Paar in der Mitte der Kette führte das Mädchen. Mit langsamen Schritten gingen sie zur Höhle hinaus in die dunkle Sylvesternacht. Gerlinde Theiß, die ganz vorne ging, trug eine Laterne, ebenso Sieglinde Dahl, die mit ihrem Mann Marbod als Letzte ging.
Schweigend lief die kleine Prozession durch den verschneiten Wald. Sie durchquerten das Waldstück, das zwischen dem Hügel und dem Dorf lag, einem Dorf, das bald einen neuen Namen haben würde. Sie kamen ins Dorf und betraten eins der Häuser. Sie gingen in den Keller hinunter und ganz hinten, wo der Keller endete, begann ein schmaler Gang. In mühevoller Arbeit hatten die Männer den Gang in den Sandsteinfelsen getrieben. Ziegelsteine lagen dort bereit, an der Wand des Kellers aufgeschichtet.
Die Leute betraten den Gang. Er war so eng, dass alle hintereinander gehen mussten. Das Mädchen hatten sie in ihrer Mitte.
Nach zwanzig Metern zeigte sich linker Hand im Gang eine Öffnung. An dieser Stelle war der Gang breiter. Die zehn Erwachsenen konnten sich versammeln. Es war genug Platz. Im Gang bei der Öffnung waren Ziegelsteine gestapelt. Eimer mit Wasser standen bereit, um Mörtel zu bereiten, einen ganz besonderen Mörtel, der sehr schnell aushärtete.
Die Männer machten sich daran, diesen Mörtel anzurühren. Noch immer schwiegen alle. Das Mädchen starrte die Öffnung in der Wand des Ganges an. Dort befand sich ein kleiner enger Raum, in dem man nicht aufrecht stehen konnte. Das Mädchen war außer sich vor Angst.
„Bitte!“, flehte es. „Nicht!“ Es wandte hilfesuchend an Berta Hennes: „Mama, bitte nicht! Oh bitte nicht!“
Ihre Mutter schaute stumm zu Boden.
„Mama!“, rief das Mädchen. „Mama, ich flehe dich an! Bitte nicht!“
Zwei der Männer packten das Mädchen. Sie bogen seine Arme nach hinten und einer fesselte dem Kind mit einem Seil die Hände hinterm Rücken.
„Nein! Nein!“, rief das Mädchen. „Hört auf! Bitte nicht!“
Sie hörten nicht auf ihr Flehen. Stattdessen band man ihr die Füße mit einem weiteren Seil zusammen. Sie duckten sich und schoben das gefesselte Mädchen in den kleinen Raum.
Dann begannen die fünf Männer, die enge, in den Stein gehauene Kammer mit den Ziegeln zuzumauern. Sie arbeiteten schnell, aber ohne Hast. Der spezielle Mörtel härtete schnell aus. Die Wand, die langsam in die Höhe stieg, stand stabil.
Während die Männer konzentriert arbeiteten, beteten die Frauen einen stetigen Singsang.
„Komm herbei, hoher Fürst der Dunkelheit, Herr der Finsternis und siehe, was wir dir darbringen. Nimm unser Opfer gnädig an und gewähre uns deine Gunst.“ So ging es immer weiter, ein leiernder Gesang, nur begleitet von den kratzenden Geräuschen der Maurerkellen, die die Ziegel vermauerten und dem unablässigen Flehen des Mädchens, dass in der kleinen Kammer lebendig eingemauert wurde.
Stein auf Stein wuchs die Mauer, die die kleine Kammer verschloss. Die Männer mauerten. Die Frauen beteten. Das Mädchen in der Kammer flehte unaufhörlich. Es weinte. Es schluchzte. Es bettelte. Keiner schenkte seinem Flehen Gehör.
Nach einer Stunde war die Öffnung vermauert.
Die zehn Erwachsenen stellten sich im Halbkreis auf.
„Hoher Fürst“, sprachen sie gemeinsam. „Komme zu uns und nimm unser Opfer gnädig an. Siehe, wir opfern dir eine auserwählte Jungfrau, die nie zu einer werden wird. Nimm an, was wir dir übergeben. Nimm unser Opfer gnädig an. Lass die kalte Flamme in ihrem Herzen brennen auf ewig, bis zum jüngsten Tag. Sie soll dein sein auf immer. Komm zu uns hoher Herr.“
Und ER kam. Er sprach mit einer Stimme aus Dunkelheit und Kälte zu ihnen. Er nahm ihr Opfer gnädig an. Er war ihnen wohlgesonnen.
„Ich danke euch für das Opfer“, raunte die dunkle Stimme durch den engen Gang. „Ich will die kalte Flamme in ihrem Herzen entzünden und sie brennen lassen auf ewig. Gehet nun und kehrt zurück zu den anderen und feiert die Messe für mich. Sagt ihnen, dass ich das Opfer annehme.“
Sie nahmen die Wassereimer mit, als sie gingen. Dort wo der Gang in den Keller mündete, mauerten sie den Gang zu. Sie arbeiteten konzentriert. Diesmal schwiegen die Frauen. Man hörte nichts als das Kratzen der Ziegel, wenn sie vermauert wurden und das Streichen der Maurerkellen, die den Mörtel verteilten. Manchmal hörten sie von ganz tief drinnen im Gang das eingeschlossene Mädchen verzweifelt rufen. Aber nur ganz leise.
Nachdem der Eingang geschlossen war, kehrten die zehn Leute zu den anderen Familienmitgliedern zurück, die in der Höhle im Wald die dunkle Messe feierten.
Siegmund Theiß trat vor die Menschen. „Es ist vollbracht“, sprach er mit getragener Stimme. „Der dunkle Fürst hat unser Opfer gnädig angenommen.“
Schon bald sollte das Dorf einen neuen Namen erhalten.

01.10.2024 12:04 Stefan Steinmetz ist offline Email an Stefan Steinmetz senden Beiträge von Stefan Steinmetz suchen Nehmen Sie Stefan Steinmetz in Ihre Freundesliste auf
 
Neues Thema erstellen Antwort erstellen
Gehe zu:

Powered by Burning Board Lite 1.0.2 © 2001-2004 WoltLab GmbH