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Stefan Steinmetz
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Der Elfenmacher(17) Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       IP Information Zum Anfang der Seite springen

Stephan Harrer folgte seinem Nachbarn Eugen Niedermeyer durch dessen Haus.
„Ich habe alles in einem Raum stehen, den ich meine Rumpelkammer nenne“, erklärte Niedermeyer. „Im Keller möchte ich es nicht gerne aufbewahren. Mir ist es da zu feucht. Mein Keller hat einen gestampften Lehmboden. Das ist gut fürs Aufbewahren von Erntegut aus dem Garten, aber Klappstühle werden dort unten über Winter muffig und bekommen Stockflecken.“
„An meinen Keller schließt sich ein altmodischer Gewölbekeller an“, erzählte Stephan. „Das war mal ein Weinkeller. Hast du auch so einen Nebenkeller?“ Täuschte er sich, oder zögerte Eugen einen Moment lang, bevor er antwortete: „Einen solchen Keller habe ich nicht. Meiner endet unterm Haus.“
Er lotste Stephan zu einem kleinen Nebenraum. Dort waren Klapptische und Klappstühle abgestellt.
„Wir nehmen den größeren Tisch“, sagte Eugen.
Gemeinsam fingen sie an, das Zeug durch die Hintertür in Eugens Garten zu schleppen. Genau wie Stephan hatte Eugen einen großen Platz in das leicht ansteigende Gelände gegraben, wo der Boden bretteben war. Dort stand bereits ein Sonnenschirm.
Bei der zweiten Transporttour nahm Eugen einen anderen Weg: „Ich hole mal eben Tischdecke und Sitzkissen. Bin gleich wieder bei dir.“
Stephan hatte sich zwei Klappstühle aus Holz aufgeeselt. Er nahm einen kleinen Umweg und warf einen Blick in Eugens Wohnzimmer. Das gesamte Haus machte einen äußerst aufgeräumten Eindruck. Die Sauberkeit wirkte fast steril auf ihn. Eugen putzte anscheinend regelmäßig.
Eine Wand in dem geräumigen Wohnzimmer bestand komplett aus Bücherregalen. Neugierig trat Stephan näher. Er sah viele alte Bände. In einem Regal standen zig alte Bibeln, teilweise zweihundert Jahre und älter. Es gab Naturkundebücher aus 1712 und 1677 und jede Menge anderer alter Bücher.
„Ich sammle antike Bücher.“ Eugen war lautlos hinter Stephan getreten. „Das ist eins meiner Hobbys.“ Er verzog das Gesicht: „Ein schönes aber leider auch sehr kostspieliges Hobby. Aber auf Flohmärkten kann man manches Schnäppchen machen. Das da ...“ Er zeigte auf einen dicken Katalog, der auf dem Tisch lag, „... ist auch nicht gerade billig. Modelleisenbahnbau. Mein anderes Hobby. Jetzt wo mein Garten soweit fertig ist, will ich anfangen eine Anlage auf dem Speicher aufzubauen.“ Er fasste Stephan an der Schulter: „Komm. Ich habe die Tischdecke. Nachher holen wir noch das Service und das Besteck.“
Stephan folgte Eugen. Er wurde das Gefühl nicht los, dass Niedermeyer ihn von seinen wertvollen antiken Büchern weg haben wollte.
Beim Hinausgehen entdeckte er das Bild an der Wand. Es war höher als einen Meter und zeigte eine der berühmten Blutelfen von Eusebius van Gorken. Inmitten einer Gartenlandschaft, in der die Pflanzen schrille Farben hatten, stand eine Elfe in Form eines zehnjährigen Mädchens mit Flügeln. Es war fast nackt und trug nur ein Kleidchen aus Pflanzenfasergewebe, dass ihren Torso gerade so bedeckte. Blut lief der Elfe übers Gesicht und den ganzen Körper. Die Augen der Elfe blitzten silberfarben. Sie strahlte eine ungeheure Wildheit aus.
„Wow! Ein echter van Gorken!“
Eugen trat neben ihn: „Ein Frühwerk. Es ist beinahe zwanzig Jahre alt. Damals bekam man die Bilder zu einem Spottpreis. Heute könnte ich mir ein solches Bild nicht mehr leisten.“ Eugen seufzte: „Ach ja, die alten Zeiten. Dankbar ist er mir gewesen, der Eusebius, dass ich ihm ein Bild abgekauft habe. Heute ist er fast ein Fremder. Lebt in München und kommt nur gelegentlich mal nach Achen in sein Atelier. Wir sehen uns kaum noch. Die Freundschaft ist – wie soll ich sagen? - ein Stück weit eingeschlafen.“ Wieder seufzte Eugen: „An mir lag es nicht. Nein, nein. Nicht an mir. Aber der Eusebius produziert sich heutzutage lieber vor Kameras und in Interviews. Hier, schau.“ Eugen hob eine aufgeschlagene Zeitung auf, die auf einem Beistelltischchen neben einem Lesesessel lag.
Stephan nahm das Blatt. Es war ein Artikel über Eusebius van Gorken abgedruckt.
„Achens berühmter Sohn kehrt wieder einmal zu seinen Wurzeln zurück“, stand da in fetten Lettern. „Der bekannte Avantgardekünstler Eusebius van Gorken hält sich derzeit in seiner Geburtsstadt Achen auf. Eigenen Angaben zufolge braucht der sensible Künstler regelmäßigen Kontakt zur „Heimaterde“. Van Gorken ist in Achen geboren und aufgewachsen. Während er seine Aktionskunst in München fertigt, kann er nur in Achen seine berühmten Blutelfen erschaffen. Unser Korrespondent, Harald Kappler hat ein Gespräch mit Achens berühmtem Sohn geführt.“
Stephan musste ein Lachen unterdrücken. Korrespondent. Und das bei einer kleinen Provinzzeitung. Dann las er das Interview. Wie letztens im Fernsehen gab sich der gute Eusebius reichlich überkandidelt. Das schien die Angewohnheit aller Künstler zu sein. Gehörte wohl zum Beruf, so zu tun, als wäre man stets ein wenig neben der Spur.
„Das ist das Wahre, das Unverfälschte an der Kunst“, lies van Gorken hören. „Farbe! Farben! Sie sind die Welt! Stellen Sie sich eine Welt ganz ohne Farben vor! Alles grau in grau!“
Wieso dass denn?, dachte Stephan. Innerlich grinste er. Könnte doch auch alles blau in blau sein oder grün in grün.
Er las weiter. „Kunst ist Kreativität! Nur wer seiner Kreativität freien Lauf lässt, kann sich der wahren Kunst nähern. Man muss in der Kunst ganz aufgehen, Neues zulassen, auf die Stimme in seinem Innern hören und die Bilder malen, die aus dem eigenen Innersten hervorkommen, wie Ströme von Blut. Man muss bereit sein, zu verletzen, damit das Blut einen Weg findet, hervorzukommen und frei zu fließen. Farbe! Blut ist Farbe! Farbe ist Blut!
Und echt muss es sein! Niemals Fake! Echt! Man muss die Wirklichkeit auf Papier und Metall übertragen, auf Holz und Haus. Alles kann Kunst sein, wenn es dazu gemacht wird. Man muss sie nur befreien, die Kunst, sie herauslassen, dann manifestiert sie sich. Man muss bereit sein, nötigenfalls ins Fleisch zu schneiden, damit das Blut fließen kann. Das ist wahre Hingabe!
Ich könnte niemals mit einem Partner zusammenleben, der das nicht versteht und akzeptiert.
Der etwas gegen das Erschaffen, von Elfen etwa, hat. Denn man kann sie erschaffen, wenn man bereit ist, ans Blut zu gehen und es herausfließen zu lassen.“
„Ja so ist er, der Eusebius“, sagte Eugen. Stephan fiel auf, dass er seinen ehemaligen Schulkameraden nie bei seinem wirklichen Vornamen Eugen nannte.
Plötzlich meinte er, eine Traurigkeit zu spüren, die mitten im Raum zu schweben schien. Er schaute Eugen an. War Niedermeyer nicht auch ein Mensch, der sich schwer tat, auf andere zuzugehen? Hatte Eugen Freunde? Stephan hatte nie welche gesehen. Vielleicht war Eugen Sebius, der heutige Eusebius van Gorken, Eugens einzig richtiger Freund im Leben gewesen. Seit frühester Schulzeit waren sie zusammen gewesen, zwei Freunde, unzertrennlich. Und dann hatte sich der eine Eugen in den pompösen und abgehobenen Künstler Eusebius van Gorken verwandelt, der seinen ausladenden Schnurrbart zwirbelte und sich vor Kameras aufspielte, und der andere Eugen hatte sich zurückgezogen und plante und baute Alarmanlagen auf Kundenbestellung. Der eine laut und extrovertiert, der andere leise und introvertiert. Außer seinen „lieben Bienchen“ hatte Eugen Niedermeyer niemanden. Manchmal fuhr er zu seiner Mutter, die nach dem Tod ihres Mannes fast hundert Kilometer weit von Achen fortgezogen war, zu einer Cousine.
Stephan konnte die Traurigkeit und Verlassenheit, die im Raum schwebte, fast mit Händen greifen. Er sah Eugen vor sich stehen, stumm und irgendwie hilflos. Der arme Bienerich war ein einsamer Mensch.
Warum schaffst du dir keinen Hund an?, überlegte Stephan und fand im gleichen Moment die Antwort: Eugen konnte kein Tier halten, weil er immer wieder tagelang weg musste, um seine Alarmanlage zu installieren oder Wartungen vorzunehmen. Einer, der mal eben für vier Tage nach Hamburg fahren musste, konnte keinen Hund oder ein anderes Tier halten.
Von seiner geplanten Hühnerzucht hat er nichts mehr verlauten lassen. Dabei war er anfangs total begeistert. Aber wie will er das machen? Er kann ja schlecht einen Futterautomaten aufstellen. Ich könnte seine Viecher in seiner Abwesenheit füttern. Aber, na ja …
Stephan verkniff sich ein Grinsen. Er war sich zu hundert Prozent sicher, dass Niedermeyer ihn nie im Leben um einen solchen Gefallen bitten würde. Nicht weil er ein ganz Introvertierter war, sondern weil er keine Fremden auf seinem Gelände haben wollte, solange er unterwegs war. Eugen war keiner, der den Nachbarn seine Hausschlüssel in die Hand drückte, wenn er für ein paar Tage wegfuhr.
Deswegen hat er außer ein paar Kakteen und Efeutute und einem Gummibaum keine Pflanzen im Haus. Er kann nicht immer täglich gießen. Armer Kerl. Aber sein Beruf scheint ihm Spaß zu machen.

Später saßen sie hinterm Haus. Eugen hatte den Grillplatz ganz groß hergerichtet. Auf dem Tisch lag eine Tischdecke und auf jedem Stuhl ein Sitzkissen. Er hatte ein teuer aussehendes Service aufgedeckt und Besteck aufgelegt, das ebenfalls nicht aus dem Supermarkt stammte.
Er begrillte die versammelte Runde mit Fisch, Fleisch und hervorragenden Folienkartoffeln und tischte dazu einen Meeresfrüchtesalat auf, der großes Lob erntete.
Man sah dem Bienerich die Freude an, als er gelobt wurde. Er beteiligte sich an Witzeleien und lieferte Anekdoten aus seiner Kindheit und aus seinem früheren Leben. Trotzdem blieb er etwas linkisch und Stephan spürte seine innere Verkrampftheit beinahe körperlich. Ihm wurde klar, dass Eugen Niedermeyer noch zurückhaltender als er selbst war. Wahrscheinlich hatte er nur zum Grillen eingeladen, um sich zu revanchieren, das er bei ihm und den Kolbes mehrfach eingeladen worden war.
Aber er lieferte Polly eine Sammlung sauber gehefteter Blätter, auf denen er Muckefuckrezepturen aufgelistet hatte.
„Leider habe ich nie daran gedacht, Fotos zu machen, wenn ich meinen Muckefuck selber herstellte, liebe Apollonia“, meinte Eugen. „Aber ich nehme an, dass du alles ausprobieren wirst. Dann kann dein Herr Papa mit seiner Kamera Aufnahmen machen.“
„Danke Eugen“, sagte Polly. „Du bist wahnsinnig nett.“ Sie schwenkte die Papiersammlung: „Eigentlich müsstest du einen Anteil am Gewinn des Buches kriegen. Das sind viele Rezepte.“
Eugen lachte gutmütig: „Nein lass mal, Apollonia. Diese Anleitungen findest du im Internet kostenlos. Das würde ich dir sowieso empfehlen: Schau im Internet nach. Für die verschiedenen Ersatzkaffees gibt es die unterschiedlichsten Anleitungen. Probiere sie alle aus und wähle diejenigen, die am besten sind. Die kommen dann in dein Buch.“
„Das mache ich.“ Polly sprang auf. Sie hatte fertig gegessen. Sie begann zusammen mit dem Leutnant Eugen Niedermeyers großes Grundstück zu erforschen.
Die Erwachsenen blieben am Tisch sitzen. Sie tranken und unterhielten sich. Stephan registrierte, dass die dritte Flasche Guinness den guten Bienerich langsam auftauen ließ. Er entspannte sich sichtlich. Sie diskutierten über die verschiedenen Arten von Kompostern.
Holz war als Naturmaterial gut geeignet. Kunststoff war haltbarer. Sie waren sich darin einig, dass es offene Komposter sein sollten, kistenförmige Behälter und zwischen den einzelnen Brettern immer ein Luftspalt.
„Wir hatten mal einen geschlossenen Komposter“, erzählte Sandra. Sie stubste Georg an: „Weißt du noch Männe? Das war der letzte Heuler.“
„Das Ding taugte nichts“, bestätigte ihr Mann. „Entweder da drinnen trocknete alles aus oder man goss zu viel Wasser hinein und alles wurde schmierig. Das war nicht gut.“
„Offene Komposter sollten aber nicht dem Regen ausgesetzt sein“, meinte Eugen. „Ich habe meine unter dem Zwetschgenbaum dort oben aufgestellt. So sind sie geschützt und bekommen nur wenig Regen ab; gerade genug, um zu funktionieren. Die Kompostwürmer mögen es feucht aber nicht nass.“
„Wir haben ein einfaches Dach über unserem aufgestellt“, sagte Sandra. „Seitdem bekommen wir einmal im Jahr guten Kompost.“
„Dann weiß ich ja, wie ich es anstellen muss“, meinte Stephan. „Halleluja!“
Eugen lachte: „Halleluja! Hallelunein!“ Plötzlich fuhr er von seinem Stuhl auf: „Apollonia! Nein! Sofort weg dort!“
Polly stand vor Eugens Schuppen und schaute erschrocken.
„Ach Gott!“ Eugen ging zu ihr und führte sie zum Tisch. „Es tut mir Leid, Apollonia! Ich wollte dich nicht so anfahren. Wirklich nicht. Bitte schau nicht so erschrocken. Ich bin derjenige, der sich furchtbar erschrocken hat. Es ist wegen dem Schuppen. Das war mal eine Scheune. Dort drinnen ist es gefährlich. Weißt du, sie ist uralt und könnte jeden Moment zusammenbrechen. Ich hätte sie längst abreißen lassen sollen, aber ich muss erst das Geld dazu zusammenbringen.“
Polly schaute ihn treuherzig an: „Ist schon in Ordnung, Eugen. Ich geh nicht in deinen Schuppen, wenn du nicht willst.“
Eugen warf einen Blick auf Pollys Füße: „Du trägst nicht mal Schuhe, Apollonia. Da drinnen in der Scheune liegt jede Menge gefährliches Zeugs rum. Ich war erst einmal drinnen. Ich habe Glasscherben gesehen und Bretter, aus denen Nägel nach oben ragen. Ich möchte nicht, dass du dir wehtust. Du könntest dich verletzen und vielleicht eine Blutvergiftung bekommen.“
Er umarmte Polly linkisch: „Es tut mir Leid, Apollonia. Bitte verzeih mir, dass ich dich so laut angefahren habe.“
„Schon gut, Eugen“, sagte sie und legte ihm mit der für sie so typischen Geste die Hand auf den Unterarm. „Du hast dir bloß Sorgen gemacht, dass mir was passiert. Darum bist du laut geworden. Ich bin dir nicht böse.“
Eugen lächelte: „Da bin ich aber froh. Ich möchte deine Freundschaft nicht verlieren, junge Dame.“
Er setzte sich und die Erwachsenen setzten ihre Unterhaltung fort. Polly machte sich mit dem Großspitz wieder auf Erkundungstour, wobei sie einen großen Bogen um die baufällige alte Scheune machte.
Stephan betrachtete das Gebäude. Der große Schuppen war alt, aber sein Mauerwerk sah noch ziemlich gut aus. Da war nichts abbruchreif. Aber das Dach hing durch wie der Rücken eines alten Esels. Wahrscheinlich war es marode. Er fand es schade, dass Niedermeyer den Schuppen abreißen lassen wollte. Wenn man das Dach erneuerte und drinnen aufräumte, wäre die alte Scheune ein perfekter Lokschuppen für seine Feldbahn. Dort drinnen würden mehrere Lokomotiven und etliche Waggons Platz finden. Wieder wurde ihm schmerzlich bewusst, wie erbärmlich klein sein Grundstück war.
Wenn ich den oberen Teil von Eugens Grundstück hätte, könnte ich meine Feldbahn schön groß bauen.
Er schaute nach Westen in Richtung Runsbach und gab sich einem rosaroten Tagtraum hin: Man könnte die Bahn am Waldrand entlang bis nach Runsach führen. Dort könnten dann zu den Rhensacher Schulkindern noch Runsacher Kinder zusteigen und die Bahn würde durchs Tal der Ache bis nach Achen führen. Ein nostalgischer Schulkinderzug.
Die Vorstellung gefiel Stephan. Er malte sich aus, wie er kleine Personenwaggons anschaffen würde mit kleinen Drehgestellen, um bessere Laufruhe zu erreichen. Im Winter würden sie beheizt werden. Vielleicht von der Lokomotive, die den Zug bespannte. Ein Dampfheizer vielleicht? Oder elektrisch über einen Generator?
Georg riss ihn aus seinen Gedanken. Er brachte die verschwundenen Mädchen von Runsach zur Sprache: „Ist es nicht ungeheuerlich, dass die Polizei bis heute keine Spur hat? Da geht ein perverser Triebtäter um, und keiner kann ihn aufhalten. Auch die Bürgerwehr nicht, obwohl die jede Nacht auf Patrouille geht.“
„Ich habe Angst“, sagte Sandra. „Große Angst. Was ist, wenn Runsach „abgeerntet“ ist? Kommt der Irre dann zu uns nach Rhensach?“ Sie schaute zu Polly hinüber, die mit dem Leutnant die an Stangen hochrankenden Bohnenpflanzen inspizierte. Ihr Blick sprach Bände.
„Bis jetzt hat er sich auf Runsach beschränkt“, sagte Eugen. „Er scheint hinter Mädchen aus der Kowak-Sippe her zu sein.“ Er kratzte eine rote Stelle unter seinem Kinn: „Vielleicht etwas Rituelles?“
„Nicht rituell! Bekloppt!“ sagte Georg. „Wenn dem seine rituellen Opfer ausgehen, nimmt er auch andere. Das weiß man doch. Die Abstände zwischen den Morden werden immer kürzer und der Psychopath wird immer brutaler. Wenn man ihn nicht aufhält, bringt er Hunderte um!“
„Irgendwann macht er einen Fehler“, sagte Eugen. „Das machen sie immer. Dann wird er geschnappt und weggesperrt.“
„Weggesperrt!“ Georg spuckte das Wort aus wie etwas Verfaultes. „Für so einen müsste das Fallbeil wieder eingeführt werden. Nachher geht noch ein bescheuerter Psychofritze hin und erklärt den Kerl nach fünf Jahren im Knast für gesund und dann geht das Morden von vorne los. Liest man alle Nas lang, dass diese Idioten einen Kindermörder freilassen und der macht dann lustig und munter weiter. Es gab sogar Fälle, wo der Mörder darum bat, auf keinen Fall freigelassen zu werden, weil er Angst hatte, dass er rückfällig wird, dass er wieder mit dem Morden anfangen würde. Trotzdem haben sie ihn raus gelassen und er mordete erneut. Was haben wir bloß für Gesetze! Zum Kotzen ist das!“
Eugen Niedermeyer schaute zu Polly und dem Leutnant hin. Polly kraulte dem Spitz den Bauch. „So ein liebes Mädchen“, sagte er. „Und da draußen geht ein Monster um. Ach Gott! Man kann nichts tun. Man ist ja so hilflos und ohnmächtig.“

27.02.2015 13:39 Stefan Steinmetz ist offline Email an Stefan Steinmetz senden Beiträge von Stefan Steinmetz suchen Nehmen Sie Stefan Steinmetz in Ihre Freundesliste auf
 
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