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Stefan Steinmetz
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Dabei seit: 10.02.2006
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Der Auszug aus Heimstadt(6) Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       IP Information Zum Anfang der Seite springen

"Hoffentlich ist es bald soweit", sagte Timo. "Ich werde immer zappeliger." Sie hielten ihr Picknick bereits seit einer dreiviertel Stunde auf der kurzgeschnittenen Wiese vorm Industriekomplex ab; nahe beim Nebeneingang. Die quadratische Edelstahlsäule ragte vor ihnen auf. Eigentlich war der Inkomp auch aus Steinen denkbar, aber Lehrpriester Fohler hatte den Schulkindern einmal erklärt, daß der Inkomp ganz aus Metall und Kunststoff sein müsse, damit er bei Erdverschiebungen nicht brechen konnte.
Hinter den Picknickern stand die mannshohe Buchenhecke, die den großen Vorplatz rund um den Inkomp von den Häuschen und Gärten des Wohndorfes abgrenzte. Lustige Flötenmusik begleitet von Baßtröten und Bakellittrommeln wehte zu den drei Wartenden herüber. In den Gärten wurde gesungen und gelacht.
Der freie Platz lag leer und verlassen. Timo, Derk und Sanja waren die einzigsten Menschen so nahe beim Inkomp. Die Leute feierten entweder in ihren Gärten oder draußen auf den Wiesen am Sektorrand. Auf der harten, festgetretenen Wiese vorm Inkomp wollte keiner sitzen.
Sie waren und ungestört. Nur ein einzelner, gelangweiter Polit bewachte der Nebeneingang. Von Zeit zu Zeit nahm er heimlich einen tiefen Schluck aus einer Flasche, die er unter seiner Uniformjacke versteckt hielt.
"Es ist gleich soweit", sagte Derk. "Wir haben fünf vor vier. Um vier Uhr ist die Wachablösung."
Endlich hatte die Geduldsprobe ein Ende. Aus dem kleinen schwarzen Funkgerät, daß der Polit an seinem Gürtel trug, quäkte eine Stimme. "Wurde aber auch Zeit!" brummte der Mann und ging davon.
Er war sichtlich angetrunken. Bis sein Kollege kam, würden ungefähr zwei Minuten vergehen. Es galt für Derk, Timo und Sanja, diese kurze Zeitspanne zu nutzen.
Rasch vergewisserten sie sich, daß niemand sie sehen konnte, dann huschten sie zum Inkomp hinüber. Sanja schob die kodierte Karte ihres Vaters in den Eingabeschlitz. Es piepste leise und eine grüne Diode leuchtete auf. Leise zischend glitt die metallene Tür zur Seite.
Die drei Ausreißer betraten den Industriekomplex. Hinter der Tür erwartete sie ein langer schlauchartiger Gang, von dem nach rechts und links Türen abgingen. Ein Schild mit rotem Richtungspfeil wies geradeaus. ZUM HAUPTFAHRSTUHL. Sie rannten den Gang entlang. Ihre Herzen schlugen bis zum Hals. Wenn jetzt zufällig ein Heimpriester oder ein Polit aus einer der vielen Türen herauskam, war es aus!
Endlich erreichten sie die rotgestrichene Tür. Auch hier gab es einen Eingabeschlitz für Sanjas Inkompschlüssel. Nach Ertönen des leisen Piepsignals öffnete sich die Lifttür.
"Jetzt haben wir es geschafft", freute sich Derk und lächelte Sanja an. Sie lächelte zurück.
Plötzlich erscholl eine laute Stimme: "Was macht ihr da?"
"Polits!" wisperte Sanja erschrocken.
"Halt! Stehenbleiben oder ich schieße!" bellte die Stimme.
Derk nahm Sanja bei der Hand und sprang in die Fahrstuhlkabine .
þimo, komm schon!" rief er seinem Freund zu, der noch immer unentschlossen vor dem Lift stand. Panik stand in seinen Augen.
"Ich weiß nicht so recht Derk", druckste er. "Vielleicht war es doch keine so gute Idee, in den Inkomp einzudringen. Wir sollten uns stellen, solange es noch geht."
åör auf zu spinnen und komm rein!" schrie Derk. Timo stand da wie gelähmt.
"Ihr da! Sofort raus aus dem Fahrstuhl!" brüllte der Polit.
þimo KOMM!!!" schrie Derk nochmals. Er wollte nach seinem Freund greifen, als Timos Schädel in einer blutigen Explosion zerplatzte. Derk sah den schwarzuniformierten Polit im Gang stehen. Die kalten Augen des Mannes visierten ihn über die schwere Druckluftpistole an. Er erwartete den Einschlag des Explosivgeschossen oder des lähmenden Nadelregens.
Stattdessen schlug die Lifttür zu und der Fahrstuhl stieg sofort aufwärts. Sanja hatte die notwendigen Knöpfe gedrückt, als sie erkannte, daß Timo tot war. Sie warf sich in Derks Arme.
"Ich habe Angst Derk! Furchtbare Angst! Unser Leben ist keinen Pfifferling mehr wert!" Sie zitterte. Derk streichelte ihr durchs Haar, um sie zu beruhigen. Er zitterte womöglich noch stärker als Sanja.
"Jetzt ist es zu spät zur Umkehr", sagte er mit rauher Stimme. ir müssen da durch. Entweder wir schaffen es, oder wir sterben." Weit unter sich hörten sie das schrille, aufdringliche Kreischen einer Alarmsirene. Die blinkende Leuchtanzeige der Stockwerke sprang von SEKTOR 7 auf SEKTOR 6 um.
"Der Polit hat den Vorfall schon weitergemeldet", sagte Derk. "Einen Sektor höher warten sie auf uns." Seine Lippen verzogen sich zu einem schmalen Strich. "So leicht sollen sie uns nicht kriegen! Ich werde mich wehren." Er versuchte, sich selber Mut zu machen. Dabei wußte er nur zu gut, daß es sinnlos war. Einen Sektor höher würde sich die Lifttür automatisch öffnen, gesteuert von irgendeinem Überwachungsposten aus und ein Regen lähmender Nadelgeschosse würde sich in die Kabine ergießen. Dann würden sie den Heimpriestern in die Hände fallen.
"Warte mal", sagte Sanja. "Wir haben noch eine Chance." Sie schob ihren Arm vor und drückte auf die große, rote NOT AUS Taste. Der Fahrstuhl bremste ab und blieb knirschend stehen.
"Sanja was soll das?" fragte Derk verwirrt.
"Vielleicht schaffen wir es über die Nottreppe", gab das Mädchen zur Antwort.
"Nottreppe? Was ist das?" Derk blickte nicht mehr durch, aber etwas in Sanjas Augen sagte ihm, daß er die Hoffnung noch nicht ganz aufgeben durfte.
Sanja erklärte ihm, was sie vorhatte. "Mein Vater erzählte mir eines Tages davon. In der Mitte zwischen den einzelnen Sektoren gibt es Öffnungen im Fahrstuhlschacht. Ganz früher war das einmal eine Sicherheitsmajahme, falls eine Liftkabine stecken bleiben sollte. Hinter diesen Öffnungen befindet sich die Nottreppe. Sie reicht bis Sektor 9 hinunter, dann hört sie auf. Im Fahrstuhlschacht führen Steigeisen zu den Eingängen.
Mein Vater hat das Geheimnis von seinem Vater geerbt. Es wird von Generation zu Generation weitergegeben und es wird sehr gut vor der Heimkirche gehütet."
Derk fasste Sanja an den Schultern.
"Du meinst, die Priester und ihre Polits wissen nichts von dieser Treppe?" fragte er erregt.
"Nein!" Sanja schüttelte den Kopf. "Nur ein paar Mitglieder der Ingenieursgilde wissen davon. Ich weiß nicht genau, ob es stimmt, aber ich glaube, wir befinden uns ziemlich genau zwischen Sektor 7 und Sektor 8. Lass uns rausgehen und abhauen." Sie wies zur Decke der Liftkabine. Dort befand sich eine Falltür mit der Aufschrift: WARTUNGSKLAPPE.
Derk streckte sich und öffnete die Falltür. Sie klappte nach außen weg. Er half Sanja nach oben und reichte ihr ihre beiden Rucksäcke nach. Dann sprang er selber hoch und zog sich aufs Dach der Kabine.
Fahles Dämmerlicht erwartete ihn. Der nichtendenwollende nach oben führende Schacht wurde ab und zu von einer trüben Glühbirne erhellt. Auf einer Seite des Schachtes verliefen drei dicke, glänzende Schienen aus Edelstahl.
orsicht! Da ist Starkstrom drauf!" rief Derk warnend, als Sanja sich vorbeugte, um sie genauer anzusehen. "Dort kriegt der Fahrstuhl seine Energie her. Für die Verwendung von Seilen ist der Inkompschacht zu lang. Also hat jede Liftkabine ihren eigenen Antrieb über Elekromotoren."
Er zeigte auf die gegenüberliegende Seite: "Da sind die Sprossen, von denen du gesprochen hast.Wenn wir denen folgen, erreichen wir irgendwann den Eingang zur Nottreppe."
Er schulterte seinen Rucksack.
"Hör mal", flüsterte Sanja. Sie lauschten. Von unten näherten sich Stimmen. Noch klangen sie weit entfernt. Entsetzt zeigte Derk auf ein meterbreites Quadrat,das genau unter der oberen Wartungsklappe im Boden der Kabine ausgeschnitten war: "Nach unten gibt es auch eine Öffnung!"
"Die Leute, die zu uns hoch kommen, sind sicher die Polits aus Sektor 7", sagte Sanja furchtsam.
"Wenn sie hochkommen, beweist das doch, daß sie von der Existenz der Nottreppe wissen", sagte Derk. "Schließlich benutzen sie gerade die Sprossen in der Wand!"
"Nein! Nein! Sie können es nicht wissen", widersprach Sanja energisch. "Normalerweise gehen nur die Wartungstechniker der Gilde in den Fahrstuhlschacht. Die Polits haben die Treppe sicher erst entdeckt, als sie dem abfahrenden Lift nachblickten. Dazu mussten sie erst mal die Lifttür in Sekor 7 von Elekrikmännern öffnen lassen, weil man diese Türen aus Sicherheitsgründen nur öffnen kann, wenn eine Fahrstuhlkabine bereit steht. Selbst wenn die Polits die Treppe sahen, denken sie sicher, daß sie bloß im Schacht aufwärts führt. Also kommen sie jetzt von unten, um uns im Lift zu fangen."
Derk schaute unbehaglich drein.
"Das bedeutet, daß von oben auch bald welche kommen werden", sagte er düster. "Vielleicht finden die dann sogar den Einstieg zur Nottreppe. Dieses Pack wird uns solange verfolgen, so lange es weiß, daß wir am Leben sind!" Er ballte wütend die Fäuste.
"Derk! Das ist es!" rief Sanja aufgeregt. "Wenn wir tot sind, stellen sie notgedrungen die Verfolgung ein!" "Sollen wir uns vieleicht umbringen?" fragte Derk lakonisch.
"Nein Derk! Es muß lediglich so aussehen, als seien wir gestorben." Sie stampfte mit dem Fuß auf das Dach der Liftkabine, auf der sie standen. "Wie wäre es, wenn wir mit dem Fahrstuhl abstürzen?"
Derk war einen Moment lang sprachlos.
"Mensch.das ist DIE Idee!" rief er dann. Er sprang ins Innere der Kabine hinunter. Sanja hörte ihn eine Weile rumoren.
Währendessen kamen die Stimmen ihrer Verfolger immer näher. Die Männer fluchten ungehalten. Der schwierige Aufstieg an einem Feiertag schien ihnen ganz und garnicht zu behagen.
"Derk, beeil dich", flehte Sanja.
Endlich kam ihr Freund zurück. Er brachte ein meterlanges Aluminiumrohr mit. Sie erkannte darin eine der Stangen zum Festhalten, die an den Wänden der Liftkabine montiert gewesen waren.
"Auf die Sprossen!" befahl Derk. Er ließ Sanja den Vortritt. Als sie beide auf der Sprossenleiter standen, die im Schacht in die Höhe führte, drehte Derk sich um. Er schleuderte das Aluminiumrohr gegen die Stromschienen auf der anderen Schachtseite.
Das Rohr traf. Ein blendender Lichtbogen signalisierte den Kurzschluß. In der Liftkabine erlosch das Licht. Das leise Summen der Elektromotoren, die den Fahrstuhl bisher still auf einer Stelle gehalten hatten, verstummte aprupt. Die Kabine raste nach unten.
Entsetzte Schreie drangen zu ihnen hoch.
"Das ist für Timo, ihr Schweine!" schrie Derk.
Der Fahrstuhl fiel immer weiter in die Tiefe und war bald nicht mehr zu hören. Irgendwo unten, wo gerade Sektor 15 entstand, würde er aufschlagen und zerschellen. Da es die Polits mitgerissen hatte, würde es eine Weile dauern, bis jemand herausfand, daß die Überreste der Leichen in den Trümmern nur von den Polits stammten, nicht aber von Derk und Sanja. Möglicherweise fiel es sogar überhaupt niemandem in der ganzen Aufregung auf. Die Reparatur des Fahrstuhls ging vor.
Ein unangenehmer Gedanke kam Derk: ÷anja!“
as ist?“ Sie kletterten unermüdlich weiter nach oben.
"Der Fahrstuhlschacht ist so tief, da gibt es doch sicher mehr als nur eine einzige Liftkabine!"
"Ja", kam es von über ihm. "Im ganzen gibt es drei Stück. Aber mach dir keine Sorgen Derk. Ich weiß, was du denkst. Eine der anderen Kabinen wird uns nicht auf den Kopf fallen. Der Kurzschluß besteht nur zwischen Sektor 7 und Sektor 8. Jeder Abschnitt zwischen den Sektoren hat seine separate Stromversorgung. Wenns nicht so wäre, wären wir jetzt nicht mehr hier!"
Derk atmete auf.
Aber die Sprossen führten endlos weiter. Sie schienen nie aufhören zu wollen. Sanja hatte sich wohl doch etwas verschätzt, als sie sagte, der Lift sei in der Hälfte zwischen zwei Sektoren.
"Glaubst du, daß wir die Einstiegsluke finden werden?" fragte Derk. "Wir sind bereits seit einer Viertelstunde am Aufsteigen. Vielleicht sind wir daran vorbeigekrochen, ohne sie zu bemerken. "Unmöglich!" gab Sanja zurück. "Mein Vater sagte, der Einstieg sei deutlich zu erkennen." Sie seufzte. "Tut mir leid Derk, daß ich mich so sehr verschätzt habe."
"Macht nichts. Woher solltest du es denn genauer wissen. Hauptsache, wir schaffen es."
Das wurde allmählich zu einem echten Problem. Ihre Waden begannen von der ungewohnten Anstrengung zu zittern, ihre Lungen brannten von der ozonhaltigen Luft im Fahrstuhlschacht und ihre Hände wurden gefühllos.
Plötzlich vernahmen sie ein Knistern hinter ihrem Rücken.
"Was war das?" fragte Sanja erschrocken. Beinahe hätte sie den Halt auf den Sprossen verloren.
"Sie haben den Strom wieder eingeschaltet", antwortet Derk. "Auf den Schienen ist wieder Spannung." Gleichzeitig erfasste er, was das bedeuten konnte. Sanja wußte es auch. Sie beschleunigte das Tempo ihres Aufstiegs. Die Müdigkeit war schlagartig vergessen.
"Wenn von oben eine Liftkabine herunterkommt, bevor wir den Eingang zur Nottreppe erreicht haben, stürzen wir ab!" rief sie entsetzt.
Derk trat der kalte Schweiß auf die Stirn. Die Angst verlieh ihm neue Kräfte, als er hinter Sanja herstieg.
Natürlich würde eine der beiden anderen Liftkabinen nach unten fahren, weil man sich den Schaden in Sektor 15 ansehen wollte. Die Nebenfahrstühle reichten nur von Sektor zu Sektor, sagte Sanja. Aber der Eingang zur Nottreppe tauchte nicht auf.
Von oben ertönte ein leises Summen.
"Oh Gott! Da kommt er schon!" schrie Sanja in Panik.
"Sanja! Beeil dich!" flehte Derk.
Sie krochen wie die Berserker. Das Summen wurde schnell zu lautem Rauschen. Sanja schaute nach oben. Eine quadratische Schwärze füllte den Schacht über ihnen aus und kam rasch näher.
"Oh nein!" Sie fing an zu weinen. Derk hörte das Dröhnen der herabsausenden Fahrstuhlkabine näher kommen.
"Ich will nicht sterben! Bitte nicht!" schluchzte er. Über ihnen wurde es dunkel. Der Fahrstuhl war ganz nahe.
Plötzlich war Sanja verschwunden. Derk war einen Moment so perplex, daß er nicht weiterkroch.
"DERK! Derk komm!" schrie Sanja in Panik. Sie griff nach seinen Handgelenken und zog ihn nach oben. Derk strammpelte ein bißchen, dann lag er auf einer waagrechten Fläche. Schluchzend fielen die beiden sich in die Arme.
"Wir haben es geschafft! Wir haben es geschafft!" rief Sanja. Derk brachte kein Wort heraus. Von der Anstrengung keuchte er noch zu viel. Donnernd raste der Fahrstuhl an ihnen vorbei; keinen Meter entfernt.
Ein paar Minuten blieben Derk und Sanja still liegen. Sie drängten sich aneinander wie zwei Fohlen bei einem Gewitter.
Als die ungeheure Anspannung allmählich von ihnen abfiel, nahmen sie wieder ihre Umgebung wahr. Es war stockfinster in dem engen Gang, in dem sie lagen. Eigentlich war es nur eine Art Stollen. Er war gerade mal einen Meter breit und genauso hoch.
"Warte einen Moment", sagte Sanja. Sie nahm ihren Rucksack ab und wühlte im Dunkeln darin herum. Nach einer Weile fand sie die kleine Handlampe und knipste sie an. "Jetzt weißt du, warum ich sie mitgenommen habe", meinte sie trocken.
"Du weist so viel über den Inkomp", sagte Derk. "Ich dachte, dein Vater hätte nie von seiner Arbeit erzählt." "Hat er auch fast nie", entgegnete sie. "Nur ein paar wenige Dinge hat er mir anvertraut. Aber ich mußte ihm versprechen, es niemandem weiter zu sagen. Komm, lass uns dem Stollen folgen. Er führt zur Nottreppe."



17.

Hinter der Öffnung im Fahrstuhlschacht mündete der Stollen nach zwei Metern in ein Treppenhaus mit schmalen, steilen Stufen. Es war eine Wendeltreppe aus alten, rostigen Eisenprofilen.
"Hoffentlich weiß wirklich kein Priester und kein Polit von dieser Treppe", meinte Derk unbehaglich.
"Sie wissen es nicht", beruhigte Sanja. "Selbst die meisten Gildenleute haben keine Ahnung von der Existenz der Nottreppe. Sie geriet vor Jahrhunderten in Vergessenheit. Nur wenige Mitglieder der Gilde wissen noch davon und vererben das Geheimnis an die folgende Generation weiter. Ich bin die einzige in unserer Familie, die mein Vater eingeweiht hat. Meine Mutter, Clery, Joons und Ynette haben keine Ahnung von dem Geheimnis."
Sie deutete auf die rostigen Stufen: "Sieh doch bloß diese dicke Staubschicht an. Hier ist seit vielen Jahren niemand vorbei gekommen. Wüssten die Heimpriester um die Treppe, würden sie dafür sorgen, daß sie regelmäßig von Polits kontrolliert wird. Nicht allein das! Sie würden die Zugänge verschließen und mit Codeschlössern versehen, die nur ihnen selbst zugänglich wären."
Derk nickte. "Ja du hast sicher Recht Sanja. Auf dieser Treppe droht uns keine Gefahr von seiten der Heimkirche."
Sie machten sich an den Aufstieg. Erst jetzt hatten sie Zeit, um Timo zu trauern.
"Dieses Schwein von einem Polit hat ihn einfach ermordet!" sagte Derk aufgebracht. "Dabei hätte er ihn auch betäuben können. Aber nein! Dieser Kerl war auf Mord aus. Und das sollen die 'ütigen Helfer der Heimkirche“ sein! Von wegen! Wir wissen jetzt, was uns erwartet, wenn sie uns erwischen. Wenigstens hat es ein paar von ihnen im Fahrstuhlschacht gekostet."
"Wenn er doch nur nicht so lange gezögert hätte!“ sprach Sanja bekümmert. "Er hätte es schaffen können. Warum ist er nur so plötzlich in Panik geraten? Warum musste er einen Rückzieher machen, als viel zu spät dazu war?"
Doch all das brachte Timo nicht zurück. Er lag fast hundert Meter tiefer vorm Fahrstuhlschacht; ohne Kopf. Sie mußten weiter. Düstere Gedanken beschwerten ihre Herzen. Sie dachten wehmütig an ihre zurückgelassenen Familien. Selbst Derk fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Was mochten seine Eltern und Geschwister über ihn denken? Vor allem, wo er sicher sein konnte, daß die Heimpriester scheinheilige Lügen über seine Flucht verbreiten würden!
Nach einer Weile bemerkte Derk, daß er unwillkürlich nach Sanjas Hand gegriffen hatte und sie seitdem in der seinen hielt. Sie bemerkte seinen Blick.
Sie drückte seine Hand und lächelte ihn an. Derk errötete und er war froh, daß der Strahl der Handlampe nach vorne zeigte, so daß sie es nicht sehen konnte.
Die Wendeltreppe verlief in einer trunken machenden rechtsdrehenden Spirale aufwärts. Die einzige Abwechslung boten die breiten Treppenabsätze, die in regelmässigen Abständen lagen. Zweimal kamen sie an verstaubten Lampen vorbei, die noch brannten. Der Rest der gekapstelten Leuchten war erloschen. Ohne Sanjas Lampe hätten sie es sehr schwer gehabt.
Nach drei endlosen Stunden konnten sie nicht mehr weiter.
"Ich schaffe keinen Schritt mehr!“ klagte Sanja. êeine Beine fühlen sich an wie Pudding!“
Derk schaute auf seine Armbanduhr: ãleich haben wir acht Uhr abends. Wirklich Zeit für eine Rast!“
Beim nächsten Treppenabsatz hielten sie inne. Sie legten ihre Picknickdecke auf den Boden. Jetzt waren sie heilfroh, die Picknickutensilien mitgenommen zu haben, denn sie waren hungrig und durstig. Sie aßen mit gedörrtem Kaninchenfleisch und Ziegenkäse belegte Brote und tranken mit Beerensaft gesüsstes Mineralwasser.
Nach der Mahlzeit setzten sie sich nebeneinander auf die Decke. Sanja kuschelte sich an Derk und er legte die Arme um sie.
"Ob sie uns erwischen?" Derk hörte die Angst in ihrer Stimme.
"Ich weiß nicht", sagte er. "Wenn die Priester nichts von dieser Treppe wissen, werden wir wohl Glück haben und ihnen entkommen. Aber möglicherweise entdecken sie die Nottreppe bei den Reparaturarbeiten im Fahrstuhlschacht. Sicher hat der abstürzende Lift von der Absturzstelle an den Schacht beschädigt und sie kontrollieren das vielleicht nach. Das wird jedoch nicht vor morgen der Fall sein. Wir können uns ausruhen. Unser Vorsprung ist groß."
"Was heißt hier Vorsprung!" sagte Sanja. "Wenn sie herausfinden, wo wir stecken, schicken sie einfach pro Sektor ein paar Polits herein, um uns abzufangen."
"Wir müssen eben auf unser Glück vertrauen", meinte Derk. "Es ist ziemlich sicher, daß sie uns für tot halten; abgestürzt mit der Liftkabine."
Er streichelte Sanja beruhigend über den Rücken. Unvermittelt erwiderte sie seine Zärtlichkeit und streichelte ihn ebenfalls. Derks Herz schlug schneller. Da war wieder das seltsame Gefühl, diese angenehme, s?e Schwere in seinem Innersten. Vorsichtig fuhr er mit den Fingern durch Sanjas Haar. Sie hob ihm ihr Gesicht entgegen. Im Schummerlicht der kleinen Handlampe, die an der Wand an einem rostigen Metallhaken hing, sah er, daß ihre Pupillen stark geweitet waren.
Er beugte sich hinab und küsste sie zaghaft. Sie erwiderte den Kuß und schmiegte sich noch enger an ihn. Eine ganze Weile taten sie nichts weiter als sich zu küssen. Derks herz pochte wild und er spürte das von Sanja wie einen kleinen aufgeregten Vogel gegen ihre Rippen flattern.
Langsam, ganz langsam rutschte seine Hand hinunter zu den straffen Hügeln unter ihrem Hemd. Als er sie berührte, stöhnte Sanja leise auf. Zuerst glaubte Derk, er hätte einen Fehler gemacht, aber sie öffnete ihr Hemd und führte seine Hand an ihren Busen. Er fühlte, wie ihre Brustwarzen hart wurden und sich aufstellten.
Vorsichtig öffnete er ihr Hemd vollends und zog es ihr aus. Leise kichernd tat sie dasselbe mit ihm. Stück für Stück entledigten sie sich ihrer Kleidung, bis sie nackt nebeneinander lagen, berauscht von der Nähe des anderen. Sie wußten nicht genau, was sie da taten, aber ihre Körper wußten Bescheid.
Sie rollten auf den verstreuten Kleidern herum, sich am ganzen Körper küssend und streichelnd. Nicht einen Moment lang ließen sie einander los.
Irgendwie kam Derk auf Sanja zu liegen. Sie öffnete ihre Schenkel und hob sich ihm entgegen. Er tauchte in sie ein. Sie zuckte zusammen und Derk erschrak. Er dachte, er habe ihr weh getan, aber Sanja zog ihn fest an sich.
"Derk! Oh Derk!" flüsterte sie heiser in sein Ohr und verkrallte sich in seinen Rücken. Er verspürte ein Gefühl, wie er es süßer noch nie gekannt hatte.
Ihre Bewegungen wurden schneller und wilder; sie strebten zusammen dem süßen Ziel ihres Tuns entgegen und plötzlich, als es vor Wonne fast unerträglich wurde, erlebten sie gemeinsam den Höhepunkt. Derk hatte sein Gesicht in Sanjas Haaren vergraben und stammelte: "Ich liebe dich! Ich liebe dich!"
Dann war es vorüber und sie kuschelten sich eng aneinander geschmiegt in die Picknickdecke. Es gab nichts zu reden, denn sie verstanden sich auch ohne Worte. Bald schliefen sie ein.

01.04.2013 17:21 Stefan Steinmetz ist offline Email an Stefan Steinmetz senden Beiträge von Stefan Steinmetz suchen Nehmen Sie Stefan Steinmetz in Ihre Freundesliste auf
 
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