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Stefan Steinmetz
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Dabei seit: 10.02.2006
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Der Elfenmacher(48) Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       IP Information Zum Anfang der Seite springen

Als Franziska Lange aus der Ohnmacht erwachte, wusste sie zuerst nicht, wo sie sich befand. Sie hatte das Gefühl, aus einem tiefen Schlaf aufzutauchen. Sie wunderte sich, dass sie nicht im Bett lag. Dann nahm sie den durchdringenden Geruch wahr. Binnen einer Sekunde war ihr klar, wo sie sich befand. Sie lang rücklings auf dem Küchenboden inmitten ihres eigenen Erbrochenen und dem Inhalt des schrecklichen Pakets, das sie beim Umfallen vom Tisch gerissen hatte.
Vor Ekel und Entsetzen stieß sie einen schrillen Schrei aus. Sie zappelte wie ein abgestürzter Maikäfer, der auf dem Rücken gelandet war. Mühsam kam sie hoch. Sie schaute an sich herunter. Es war überall an ihr. Überall.
Franziska spürte ein Würgen im Hals. Aber es kam nichts mehr hoch. Ihr Magen war leer. Zitternd stand sie in ihrer Küche und schaute sich die Bescherung am Boden an.
Für Mutter.
Nein, das waren nicht ihre Kinder gewesen. Es war der brutale, gewissenlose Mensch, der auch anderen Mitgliedern der Familie Kowak gemeine Streiche gespielt hatte. Nur dass das hier kein Streich war. Es war ein Verbrechen.

*

Stephan lugte um die Ecke.
Wie kann der hier rein? Er geriet in Panik. Die riesige Gestalt schob sie immer näher an ihn heran. Wie kommt dieser Riese in den Erdstall? Ich habe den Riegel hinter mir geschlossen! Ich weiß es genau!
Wusste er das? Konnte es sein, dass er es in der Eile vergessen hatte?
Nein. Bestimmt nicht. Er erinnerte sich, wie der Riegel sanft in die Halterungslasche geglitten war. Dieser Riegel war erstaunlich leichtgängig. Das hatte ihn immer gewundert.
Bronze. Der Riegel bestand aus Bronze.
Stephan kam eine Idee: Was, wenn der Riegel nur auf der Rückseite aus Bronze war und auf der Seite, die der Marienkapelle zugewandt war, aus Eisen? Konnte man dann von außen mittels eines starken Magneten den Riegel öffnen? Einfach den Magneten ans Holz der geschnitzten Kassette halten, damit der Magnet den Riegel „zu fassen“ bekam und den Magneten zur Seite ziehen? So würde der Riegel sich öffnen.
Stephan standen die Haare zu Berge. So oder so, er war nicht allein im Erdstall. Ihm war klar, dass er schleunigst verschwinden musste. Was da durch den unterirdischen Gang auf ihn zu geschnauft kam, war groß; groß und überaus gefährlich.
Er sah den hin und her schwankenden winzigen Lichtstrahl. Der Strahl war dünn wie ein Rasiermesser, aber der grünliche Widerschein, der sich an den Wänden brach, erhellte die Szenerie gerade genug, dass Stephan die schlurfende Gestalt in groben Umrissen erkennen konnte.
Das Grunzen und Schnaufen kam immer näher.

*

Franziska Lange riss sich die Kleider vom Leibe. Sie stopfte alles in eine große Plastiktüte und verschloss sie mit Klebeband. Sie würde das Zeug nachher in den Müll werfen. Doch zuerst musste sie duschen.
Sie stand ewig lange unter dem heißen Wasserstrahl und wusch sich ein ums andere Mal, um den ekelhaften Geruch loszuwerden. Doch egal wie wild sie schrubbte, sie wusste, diesen Geruch würde sie nie wirklich loswerden. Auch in ein paar Jahren würde sie ihn in der Nase spüren, den Geruch von Fäulnis und Verwesung.
Nach dem Duschen zog sie sich an. Sie lief in die Küche und begann, den beschmutzten Fußboden zu reinigen. Sie war froh, dass ihre Küche einen Linoleumboden hatte. Mit einer großen Menge heißem Wasser und viel Reiniger rückte sie der Schweinerei zu Leibe.
Immer wieder würgte sie bei der Arbeit und die ganze Zeit über stieß sie wimmernde, schluchzende Laute aus.
Warum hilft mir niemand?, dachte sie. Schwarze Verzweiflung überkam sie. Sie fühlte Entsetzen und Ekel. Wer tat so etwas? Wer verschickte solch furchtbare Pakete? Was hatte sie getan, dass ein Mensch zu solcher Grausamkeit fähig war?
Endlich war sie fertig. Sie entsorgte den benutzten Putzeimer und die vier Putzlappen, die sie verwendet hatte zusammen mit der Tüte mit den beschmutzten Kleidern in der Mülltonne. Dann kehrte sie in die Küche zurück. Sie riss das Fenster auf, denn der Geruch hing noch immer schwer in der Luft.
Franziska Kowak ließ sich auf einen Stuhl sinken. Sie saß da wie erschlagen. Noch immer brachte sie die unkontrollierten Wimmerlaute hervor.
„Warum?“, krächzte sie. „Warum tut man mir das an? Was habe ich verbrochen?“ Sie zitterte am ganzen Körper.
Vor ihrem inneren Auge sah sie, wie sie das Paket öffnete. Sie spürte noch immer den schwachen Widerstand in ihrer rechten Hand, als sie die Plastikfolie hochgezogen hatte. Darunter war das absolute Grauen erschienen.
Jemand hatte Franziskas Rosen in das Paket getan. Blüten, die von den Rosenstöcken gerissen worden waren, lagen in dem Paket. Sie waren tief in eine Masse hineingedrückt. Die Masse war bräunlich-dunkel und weich. Dicke Maden krochen darin herum. Ein grauenhafter Geruch stieg von der Masse auf. Franziska erkannte, was es war: Hundescheiße!
Das Paket war angefüllt mit Hundekot. Der musste schon länger vor sich hin gefault haben, denn die Maden suhlten sich eifrig darin und der Gestank nach Verwesung brachte Franziska um den Atem.
Jemand hatte ihr ein Paket geschickt, das mit faulendem Hundekot und mit ihren abgerissenen Rosen gefüllt war. Mit den Rosen, die ihr Ein und Alles waren. Sie hatte sonst nichts auf der Welt. Nur ihre geliebten Rosen.
Franziska saß am Küchentisch, die Stirn in eine Hand gestützt. Sie wimmerte. Ihr war übel. Und sie war sehr, sehr unglücklich.
Sie war allein. Völlig allein. Ihr Mann war weggelaufen und ihre Kinder waren ans andere Ende der Republik gezogen und ließen sich nie blicken. Nie bekam sie einen Anruf oder einen Brief. Nicht mal eine Karte zu Weihnachten. Franziska Lange war ganz allein. Allein mit der Erinnerung an ihre geschändeten Rosen.
Sie begann zu weinen. Sie weinte, wie sie noch nie geweint hatte. Sie konnte gar nicht mehr damit aufhören.

*

Stephan Harrer stand noch immer wie gelähmt da. Er linste um die Ecke und beobachtete die riesige Gestalt, die sich durch den Gang auf ihn zuschob.
Das ist kein Mensch, schoss es im durch den Kopf. Kein Mensch ist dermaßen groß und breit.
Er sah den Lichtstrahl, der von der Gestalt ausging. Es war ein kaum sichtbarer dünner Strahl, der sich durch die Dunkelheit schnitt wie ein feines Chirurgenmesser. Das Licht sah nicht aus wie das Licht einer Taschenlampe. Es wirkte grünlich schimmernd wie das Licht von Glühwürmchen in einer warmen Sommernacht. War das überhaupt eine Taschenlampe? Oder etwas anderes?
Das große Etwas, das sich durch den Gang schob, keuchte und grunzte. Die Laute hörten sich an, als kämen sie nicht aus einem menschlichen Mund sondern aus der Kehle eines Tiers.
Ein Tier? Ein Tier. Eine Kreatur. Riesengroß und breit. Mit einem Leuchtorgan am Körper.
Der Schratzl!
Erinnerungen an das, was er gelesen hatte, schossen Stephan durch den Kopf. Der Schratzl war ein bösartiger Zwerg, der in seinem Schratzlloch lebte. Zwerg. Der Begriff war dehnbar. Zwerg bedeutete nicht automatisch klein. Es bezeichnete eine stämmige, verwachsene Gestalt, ein Wesen, das unter der Erde lebte. Zwerge waren breit und stark. Sie verfügte über riesige Kraft.
Das ist kein Mensch! Das ist eine Kreatur!
Stephan fühlte eisiges Entsetzen in sich aufsteigen. Der andere Gang fiel ihm ein. Der Gang, der in Richtung Eugen Niedermeyers Haus abzweigte. Führte dieser Gang in Eugens Keller? Oder verlief er unter Eugens Haus hindurch in die Tiefe der Erde, hinab in ein weit verzweigtes Gangsystem, in dem eine schreckliche Kreatur hauste?
Stephan war nicht weiter als bis zu dem Steinhaufen vorgedrungen, der diesen Gang halb versperrte. Er hatte mit der Taschenlampe hineingeleuchtet und gesehen, dass der Gang in Richtung auf Eugens Haus verlief. Und noch etwas war ihm damals aufgefallen. Der Gang verlief abwärts. Nicht sehr stark abwärts, aber es ging nach unten. Was, wenn dieser Gang direkt in die Unterwelt führte?
Vor seinem inneren Auge sah Stephan ein grauenhaftes Wesen, ein pelzbedecktes Ungeheuer, das sich durch die vielen unterirdischen Gänge bewegte, ein Wesen mit einem kleinen Organ, das kaltes Licht erzeugte; Licht wie das Licht von Glühwürmchen.
Ich bin mit dieser Kreatur ganz allein hier unten!
Stephan hörte das Schnaufen und Grunzen. Unmenschliche Laute. Laute einer unfassbaren Kreatur, die in der Tiefe der Erde hauste. Laute, die sich brünstig an hörten. Gierig. Hungrig!
Ich muss weg, dachte Stephan. Ich muss mich verziehen. Wenn das Ding mich wittert, bin ich verloren. Es ist riesig.
Von was lebte eine Schratzlkreatur? Was fraß sie? Irgendwelche Pilze, die an den feuchten Wänden wuchsen? Oder kam das Vieh nachts raus und holte sich Wurzeln und Blätter? Fraß es Fleisch?
Pflanzen, dachte Stephan. Pflanzliche Nahrung. Aber alle paar Wochen braucht es Fleisch.
Sein Entsetzen nahm noch zu.
Fleisch. Menschenfleisch! Alle paar Wochen! Die Mädchen! Die verschwundenen Mädchen! Es hat sie geholt und …
Das Wesen war heran. Nur noch wenige Meter trennten es von Stephan. Die Kreatur erreichte den Steinhaufen im Gang, über den Stephan immer hinweg steigen musste, wenn er nach Runsach wollte. Sie blieb stehen. Stephan hörte ihr tiefes Atmen.
Es wittert etwas! Es kann mich riechen! Gleich greift es mich an!
Das Ding drehte sich im Gang. Da sah Stephan etwas im fahlen grünlichen Licht, das von der Kreatur ausging, dass glaubte den Verstand zu verlieren.
Zwei Köpfe! Es hat zwei Köpfe!

28.03.2015 16:51 Stefan Steinmetz ist offline Email an Stefan Steinmetz senden Beiträge von Stefan Steinmetz suchen Nehmen Sie Stefan Steinmetz in Ihre Freundesliste auf
 
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