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Stefan Steinmetz
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Dabei seit: 10.02.2006
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Der Elfenmacher(43) Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       IP Information Zum Anfang der Seite springen

Stephan räumte das Geschirr in die Spülmaschine. Er und Monica hatten gemeinsam gefrühstückt. Danach war Monica zur Arbeit in Achen gefahren. Von dem vermissten Mädchen noch immer keine Spur. In den Radionachrichten wurde gemeldet, die Polizei suche alles ab.
„Dann sucht mal richtig!“ knurrte Stephan. „Dann findet ihr sie auch! Blödmänner! Machen alles nur halbherzig! Genau wie ihr euch nicht um meine Anzeigen gekümmert habt, als ich die Brunzacher Kowak-Schweine anzeigte, die mir alles kaputt gemacht haben. Kein Bock auf Arbeit. Das ist alles. Der Gorken-Künstler war es nicht und dieser Leonhard Kowak auch nicht. Das ist nur ein harmloser kleiner Wicht, der sich nicht alles gefallen ließ. Der hat es seiner miesen Verwandtschaft heimgezahlt, dass die ihn wie ein Stück Dreck behandelt haben.“
Stephan startete die Spülmaschine. „Trottel“, brummte er. „Allesamt Trottel. Von nichts eine Ahnung. Ihr werdet schon sehen.“ Er ging nach draußen. Vor der Hintertür blieb er stehen. Er warf einen Blick nach unten. Er war barfuß. Mit einem missmutigen Grunzen kehrte er um und zog seine grünen Crocs an. Dann ging er in den Garten.
Obwohl es noch früh war, war Eugen Niedermeyer auch draußen. Er kam vom oberen Grundstücksrand anspaziert.
„Guten Morgen, Stephan“, grüßte er. „Ich habe mal nach meinen lieben Bienchen geschaut. Man muss sich kümmern. Falls Probleme auftauchen, muss man früh eingreifen. Einer im Imkerverein hatte letzten Monat Faulbrut im Stock. Er hat es erst bemerkt, als es zu spät war.“
„Grüß Gott Eugen“, sagte Stephan. „Dass du mal die Nase raus streckst.“
Niedermeyer seufzte: „Die Arbeit. Ich komme momentan zu nichts. Aber um meine Bienchen muss ich mich kümmern.“
„Hast du das gestern Abend im Fernsehen mitbekommen?“ fragte Stephan. „Die Polizei verdächtigt deinen Jugendfreund der Kindesentführung.“
„Ja, habe ich“, gab Eugen zurück. „Ich habe die Wiederholung der Sendung heute morgen gesehen. Ist das zu glauben, wie dieser Krüger von der Polizei sich aufgeführt hat? Man fragt sich, wo man lebt: In einer Demokratie oder ein einem neuen Nazideutschland. Der Eusebius hat völlig recht, wenn er diesen Krüger der Gestapo-Methoden bezichtigt.“
Eugen schüttelte den Kopf: „Nein, nein. Wie kann man sich derart aufführen?“ Er schaute Stephan an: „Eusebius hat dem Mädchen nichts getan. Das schwöre ich, Stephan. Ich kenne ihn wie kein anderer. Der Eusebius kann keiner Fliege ein Haar krümmen. Er lebt ja seine dunkle Seite ganz und gar in seiner Kunst aus. Nie im Leben könnte der Eusebius einem Kind etwas tun.“
Stephan nickte: „Da hast du völlig recht, Eugen. Völlig recht. Ich mach mich dann mal ans Abstecken. Ich will schauen, wo ich meinen Hühnerstall hin baue.“
„Viel Spaß“, rief Eugen ihm hinterher. „Ich mache mich dann mal wieder an die Arbeit. Man sieht sich.“
„Hoffentlich“, gab Stephan zurück. „Moni vermisst dich schon und Sandra auch. Ist ne Weile her, dass du beim gemeinsamen Grillen dabei warst.“

*

Arne Ellerbrok, Runsach:
Was für ein Tag! Es ging drunter und drüber. Achim Meese war nach dem Dienst hier. Bei einem Feierabendbier hat er mir alles erzählt, wie üblich unter dem Mantel der Verschwiegenheit. Ich darf die Informationen, die er mir gibt, nur für meine rein private Dorfchronik verwenden. Mehr will ich ja nicht.
Also der Reihe nach:
Kendra Tiara tauchte heute morgen gesund und munter wieder auf. Der Hausmeister der Goetheschule hat sie gefunden, als er seinen morgendlichen Rundgang machte. Laut seiner Aussage, macht er diesen Rundgang seit sieben Jahren; seit damals in die Schule eingebrochen wurde. Er sieht nach dem Rechten und wenn er etwas bemerkt, dass auf einen Einbruch hindeutet, holt er die Polizei.
Heute morgen fand er keinen Einbrecher sondern ein verlorengegangenes Kind. Wie sich herausstellte, war Kendra Tiara tatsächlich zu später Stunde losgezogen, um die Toilette aufzusuchen. Sie ging aber nicht zur offiziellen Schultoilette. Sie gab an, da nicht hin gewollt zu haben, weil „so viele fremde Leute da rein und raus gingen“. Sie benutzte den überdachten Durchgang zur Turnhalle, der meist unverschlossen ist und suchte die Toilette in der Turnhalle auf. Danach setzte sie sich draußen vor den Toilettenräumen auf eine Bank, um sich ein wenig auszuruhen. Sie hatte ihren künstlerischen Auftritt im Stehen gehabt und ihr waren die Beine müde geworden.
Sie ist auf der Bank eingeschlafen und heute morgen fand sie der Hausmeister.
Damit ist Eusebius van Gorken zu einhundert Prozent rehabilitiert und die Achener Polizei blamiert bis auf die Knochen. Die Beamten haben zwar das Schulgebäude und die nähere Umgebung abgesucht, aber auf die Idee, in der Turnhalle nachzusehen, kam keiner. Peinlich, peinlich!
Verständlicherweise wollte man die erlittene Schlappe schleunigst wiedergutmachen und stürzte sich erneut auf den Salami-Leo. Man führte eine erneute Hausdurchsuchung durch. Grund: einem Beamten war eingefallen, dass er etwas an dem Häuschen von Leonhard Kowak „seltsam“ gefunden hatte. Er hatte tagelang auf der Sache herumgekaut und war zu dem Schluss gekommen, dass er den Dachboden noch einmal sehen müsse.
Gesagt, getan. Rein in Kowaks Häuschen und rauf auf den Speicher.
„Wir standen da oben und schauten dumm aus der Wäsche“, berichtete Achim Meese. „Es sah aus wie beim letzten Mal. Der Speicher war sauber aufgeräumt. Er wurde als Trockenraum für die Wäsche benutzt. Entlang der Seiten standen alte Sachen am Rand unterm Dach. An einem Ende des Speichers gab es einen großen Schrank. Drinnen hingen Wintermäntel und -jacken.
Der Wilhelm steht vor dem Schrank und sieht den starren Auges an.
„Hier stimmt was nicht“, sagt er. Dann dreht er sich im Kreise und wiederholt: „Hier stimmt was nicht, verdammt! Ich komme einfach nicht drauf! Etwas ist mit diesem Speicher!“
Wir sind dann wieder runter. Kaum waren wir ein Stockwerk tiefer, stößt der Wilhelm einen Schrei aus: „Zu klein! Da fehlt was! Da fehlen mindestens drei Meter!“ Dreht sich um und stürmt wieder rauf auf den Speicher. Wir hinterher.
Ich denk noch: Was hat der Gute?, da rennt der zu dem Schrank und reiß die Türen auf. Setzt einen Fuß hinein und hämmert gegen die Rückwand.
„Hohl!“ ruft er triumphierend. „Hinter dem Schrank ist ein weiterer Raum. Der Schrank steht vor einer falschen Wand!“
Da habe ich verstanden. Der Speicher war kürzer als das Häuschen untendrunter.
Wir haben die Hinterwand des Schranks unter die Lupe genommen und fanden einen gut versteckten Riegel. Als wir den betätigten, glitt eine Schiebetür zur Seite und gab den Weg in den hinter der falschen Wand liegenden Raum frei. Du glaubst nicht, was wir gefunden haben, Arne!“
Hinter der falschen Wand befand sich eine Art Schrein. Die Rückwand war mit Fotos von Tatjana Kowak gepflastert. Sie hingen zu Dutzenden an der Wand. Es gab Regale mit Puppen und anderem Mädchenspielzeug. Wir fanden zwei Mundharmonikas, die einmal Kowaks Cousine gehört hatten. Es gab Kleider von Tatjana: Blusen, Röcke, Jacken, Socken, Schuhe. Alles sauber zusammengelegt in den Regalen. Kein Staub. Als ob die Sachen regelmäßig benutzt und gewaschen würden. In einem verschlossenen Einmachglas bewahrte Kowak mehrere Haarsträhnen des Mädchens auf.
Es gab ein Tagebuch, geschrieben von einer neunjährigen Tatjana und fortgeführt bis einen Tag vor ihrem Unfalltod. Dann noch weitere Tagebücher. Die hat Leonhard Kowak geschrieben. Das erste hat er wenige Wochen nach Tatjanas Tod angefangen, als kleiner Junge von elf Jahren. All die Jahre hat er weitergeschrieben. Er hat in den Notizbüchern mit seiner toten Cousine geredet, als säße sie ihm gegenüber.
Meine geliebte Elfe, hat er sie genannt.
Immerzu schreibt er: „Tatjana, geliebte Elfe. Ich vermisse dich so.“ Er hat ihr alles erzählt, was ihm widerfahren ist. War ein Lehrer ungerecht, hat die tote Cousine es erfahren. Wurde er von den Eltern ausgeschimpft: die geliebte Elfe durfte es sich anhören. Er hat ihr erzählt, wo er mit dem Fahrrad hingefahren war und dass er im Wald spazieren war und Kastanien zum Basteln mit nach Hause brachte.
Der Kerl hat seiner Elfe sogar beschrieben, wie er mit dreizehn Jahren anfing zu onanieren!
Jahre später hat er Tatjana geschrieben, dass er sich in eine junge Frau verliebt habe.
„Liebste Elfe, ich bitt dich recht schön, sei nicht eifersüchtig, ja? Sie sieht dir so ähnlich! Unglaublich, diese Ähnlichkeit. Aber ist sie auch so rein und naturwild wie du? Ich muss es herausfinden.“
Achim schaute mich an. Er nahm mich über den Hals seiner Bierflasche aufs Korn: „Und dann das Wichtigste: Vor ungefähr einem Jahr hat er aufgehört, seiner geliebten Elfencousine zu schreiben. Sein letzter Eintrag lautet: „Ich bin so einsam, so allein. Es ist gut, dass sie gegangen ist. Sie war nicht wie du. Sie war keine Elfe. Sie war nur eine nörglerische Frau, herrschsüchtig und besserwisserisch. Sie sah dir nur äußerlich ähnlich, geliebte Elfe, du. Innerlich war sie schlecht.
Ach Elfe! Könnte ich dich doch neu erschaffen! Als Elfe! Könnte ich Elfen machen! Ich tät´s auf der Stelle, glaub mir, Geliebte du! Wie vermisse ich dich und deine Liebe zur wilden und freien Natur! Wie gerne möchte ich wieder mit dir durch Wald und Flur streifen, dich meine geliebte wilde Naturelfe an meiner Hand! Was gäbe ich dafür, wenn ich es machen könnte! Gäbe es ein Buch aus alter Zeit, in dem stünde, welchen Weg ich gehen muss, ich ginge ihn auf der Stelle, und wenn er durch die Hölle führte. Nur um dich zurückzugewinnen, Elfe du!“
Das war der letzte Eintrag.“ Achim schaute mich an: „Er hat alte Bücher gesammelt, auch welche mit alchemistischen Rezepturen und Verfahren. Einen Monat nach seinem letzten Eintrag verschwand das erste Mädchen – die zehnjährige Lenya Kowak. Wir haben Fotos von Lenya mit den Fotos von Leonhards verstorbener Cousine verglichen. Die Ähnlichkeit der Mädchen ist erschütternd. Auch alle anderen Opfer gleichen dieser Tatjana auf geradezu erschreckende Weise.“
Ich hielt dagegen: „Nun ja, Achim, es sind alles Kowak-Mädchen und sie sind alle im gleichen Alter. Die ähneln sich halt.“
„Der Leo hat eine komische Ader“, sagte Achim. Er erzählte mir, dass sie Leonhards Exfrau aufsuchten und befragten. „Das war aufschlussreich, Arne.“
Leos ehemalige Frau sagte aus, dass ihr Ehemann „komisch“ war. Er sagte manchmal Dinge wie: „Du siehst ihr so ähnlich.“
„Er hat mich gefragt, ob ich mich mal anziehen könnte wie ein Schulmädchen“, sagte sie. „So mit Röckchen, Bluse und Zöpfen. Er wollte auch dauernd an meinen Haaren riechen, vor allem wenn ich draußen gewesen war. „Du duftest nach Natur“, sagte er dann. „Wie eine Elfe.“ Er kam mir immer seltsamer vor. Dann fand ich diese geheime Kammer auf dem Dachboden. Er hat seine tote Cousine angebetet in diesem Schrein. Es war unheimlich. Irgendwie widerlich. Das ist doch nicht normal. Und mir fiel die Ähnlichkeit auf. Ich fragte mich, hat er mich nur geheiratet, weil ich seiner toten Cousine ähnele?“
Dann fand Leos Frau die Tagebücher. Sie muss wohl ziemlich viel gelesen haben. Jedenfalls packte sie ihre Sachen noch am gleichen Tag und zog aus. Zwei Tage später reichte sie die Scheidung ein.“
Arne trank sein Bier aus und stand auf: „Ich muss los. Morgen ist wieder ein langer Tag.“ An der Tür drehte er sich nochmal um: „Der Leonhard ist nicht ganz sauber, das sag ich dir, Arne. Der ist ein Komischer, was kleine Mädchen betrifft. Ein ganz Komischer. So schnell kommt der nicht raus aus der U-Haft. Wir müssen ihn dazu bringen, dass er uns verrät, wo er Tinette Sarafina versteckt hält.“

22.03.2015 17:53 Stefan Steinmetz ist offline Email an Stefan Steinmetz senden Beiträge von Stefan Steinmetz suchen Nehmen Sie Stefan Steinmetz in Ihre Freundesliste auf
 
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