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Stefan Steinmetz
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Dabei seit: 10.02.2006
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Der Elfenmacher(39) Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       IP Information Zum Anfang der Seite springen

Arne Ellerbrok, Runsach:
Sie haben ihn! GOTT SEI DANK!!!
Sie haben ihn endlich!
Leonhard Kowak, achtundzwanzig Jahre alt. Von dem hätte das wohl keiner gedacht. Das ist ein ganz Stiller. Aber sind es nicht oft die Ruhigen, Stillen? Die netten Nachbarn, die immer so freundlich grüßten? Die alleinstehenden Männer, die zurückgezogen lebten?
Letzte Nacht hat die Polizei ihn auf frischer Tat ertappt. Er war gerade dabei, ins Haus von Björn und Martina Kowak einzusteigen, als sie ihn schnappten. Er war als Schratzl verkleidet; trug einen Schlapphut, einen falschen Bart und einen angeklebten ausladenden Schnurrbart.
Er hat sich Nachschlüssel zu dem Haus verschafft. Als er ergriffen wurde, hatte er einen großen Seesack bei sich und was noch wichtiger ist: Ein Fläschchen Äther und einen Lappen. Die Polizei geht davon aus, das er die Tochter des Hauses entführen wollte – Mina Roxane, zehneinhalb Jahre alt.
Ein deutscher Schäferhund lebt bei der Familie. Der schlug nicht an, weil er Leonhard gut kennt. Nach Aussage der Familie ging Leonhard oft mit dem Tier spazieren. Daher kennt ihn der Hund. Das ist teuflisch. Er konnte ins Haus, weil der Hund ihn nicht meldete. Der kam wahrscheinlich freundlich winselnd angelaufen und hat sich streicheln lassen.
Auf der Wache haben sie ihn in die Mangel genommen. Achim Meese war dabei. Er hat mir erzählt, der Kerl hätte alles rundweg abgestritten. Er habe die Flasche Äther „rein zufällig“ dabei gehabt. Er habe Björn bloß einen Streich spielen wollen. Laut Aussage, wollte er im Keller irgendwelche Sachen mopsen und draußen vorm Dorf an den Wegen verteilen, weil er mit Björn „noch ein Hühnchen zu rupfen“ hatte.
Natürlich glaubt ihm keiner.
Das Problem: Tinette Sarafina! Sie steckt irgendwo und der Scheißkerl weigert sich, ihren Aufenthaltsort zu benennen. Jede Stunde zählt. Falls das Kind Trink- und Essvorräte hat, mag es noch angehen. Aber was, wenn nicht?
Leonhard behauptet steif und fest, er habe Tinette Sarafina nicht entführt und er habe auch Mina Roxane nicht entführen wollen. Er habe keins der Mädchen entführt.
„Ich könnte nie einem Kind etwas antun!“ hat er im Verhör immer wieder behauptet.
Schutzbehauptung, sagt Achim. Sie behalten den Kerl weiter in der Mangel. Sie müssen aus ihm raus bringen, wo das entführte Mädchen steckt.
Lieber Gott, hilf!

*

Dunja, Polly und Chayenne liefen nach der Schule zur Bushaltestelle. Letzter Schultag. Die Mädchen waren aufgeregt. Endlich Ferien! Sechs herrliche Wochen lagen vor ihnen. Und der Unhold, der die Mädchen entführt hatte, war von der Polizei gefangen worden.
Plötzlich stolperte Chayenne. Sie fiel hin. Schnell stand sie wieder auf.
„Autsch!“ Sie hielt sich das Knie. „Ich habe mir wehgetan.“
Dunja stellte sich vor sie. Mit theatralischer Geste intonierte sie: „Oh Heulchen! Oh Flennchen! Ich armes Chayennchen! Buhuuu!“
Chayenne musste kichern: „Doofliese! Mir wäre beinahe das Bein abgebrochen.“
„Halb so wild“, meinte Dunja trocken. „Du hast ja noch eins.“ Sie legte Chayenne einen Arm um die Schulter: „Ach Heulchen! Ach Flennchen! Ich armes Chayennchen!“ Sie drückte Chayenne.
„Duny!“ sagte Polly. Sie blickte ihre Freundin streng an.
„Ich mach ja gar nichts“, behauptete Dunja. Sie drückte der verdutzten Chayenne einen Kuss auf die Backe: „Ist doch mein liebes Chayennchen, gell?“ Sie drücke das Mädchen noch einmal. „Aber noch nicht lange.“ Sie nahm Chayenne aufs Korn: „Am Anfang konnte ich dich nicht ausstehen. Wenn Polly mir nicht befohlen hätte, nett zu dir zu sein, hätte ich dich wie Luft behandelt. Aber heute mag ich dich.“
Chayenne schaute sie schüchtern an. Sie sagte nichts.
Dunja lachte sie an: „Zuerst warst du Chayennchen, das Streithennchen. Dann warst du Chayennchen, das arme Flennchen. Dann hast du dich geändert in Chayennchen, den lieben Men(s)chen. Grad wie ich es sage!“
„War ich echt so schlimm?“ fragte Chayenne. Sie hatte wieder diese seltsame, schüchterne Piepsstimme.
„Ja, warst du“, gab Dunja unumwunden zu. „Du warst ein unausstehliches Miststück. Eine grässliche Streitliesel. Hast mit allen und mit jedem Streit angefangen und dich gekloppt. Wo du aufgetaucht bist, hast du gestänkert. Echt schlimm.“
Chayenne blickte zu Boden. Sie sagte lange Zeit kein Wort. Polly und Dunja standen bei ihr und warteten still ab.
„Ein Kowak lässt sich nichts gefallen“, sagte Chayenne schließlich. Sie blickte ihre Freundinnen an. Schmerz und Trotz standen in ihren dunkelblauen Augen: „Das lernen wir von klein auf daheim von unseren Vätern. Ein Kowak gibt nicht auf. Ein Kowak verliert nicht. Ein Kowak rennt nicht weg, wenn es hart auf hart kommt. Ein Kowak stellt sich. Mein Vater hat immer gesagt: Untersteh dich, nach Hause zu kommen und zu heulen, weil dich jemand verhauen hat. Dann gebe ich dir einen Grund zum Flennen. Dann prügel ich dich windelweich. Wehr dich! Ein Kowak wehrt sich. Ein Kowak lässt sich nichts gefallen. Ein Kowak schlägt immer zurück, selbst wenn sein Gegenüber stärker ist.
Das lernen alle Kowak-Kinder, die Jungen und die Mädchen. Wir lernen auch, zusammenzuhalten, wenn einer von uns bedroht wird. Wir stehen einander bei. Das müssen wir auch. Die Leute sehen uns scheel an. Für die sind wir noch immer die Kartoffelkäfer, die Zugezogenen, die Polacken, die Reingeschmeckten.
Damals nach dem Krieg sind die Kowaks aus Schlesien geflohen. Die wurden von den Russen verjagt. Mitten im eisig kalten Winter mussten sie ihre Heimat verlassen. Sie hatten nichts außer den Sachen, die sie auf dem Leibe trugen. Die Uroma hat´s mir erzählt.
In der Kälte sind viele gestorben. Kleine Kinder sind erfroren. Man konnte sie nicht mal beerdigen, weil der Boden so tief gefroren war. Da mussten die Leute ihre toten Kinder am Straßenrand liegen lassen. Die Uroma Lieselotte hat ein Kind gehabt, einen kleinen Bub. Erich hieß der und er war gerade eineinhalb Jahre alt. Eines Morgens ist sie aufgestanden und er war tot. Sie musste ihn im Schnee liegen lassen.
Dann kamen die überlebenden Kowaks nach Westdeutschland. Dort wurden sie in verschiedene Auffanglager verteilt. Es war der Vater vom Opa Siegfried, der bei Achen die Lederfabrik anfing. Der hat alle Kowaks von überall her nach Runsach geholt und sie haben sich ein neues Leben aufgebaut.“
Chayenne verdrehte die Augen: „Ich glaube, da sind auch Sachen vorgekommen, die nicht „sauber“ waren. So sagt die Uroma. Es wurden Dinge getan, die verboten sind. Betrug und vielleicht auch Klauen. Ich weiß nicht genau.
Aber eins weiß ich: Die Kowaks sind von Anfang an verhasst gewesen bei den Einheimischen. Damals haben die gesagt: „Jetzt kommen die Kartoffelkäfer aus Polen und fressen uns auf.“ Dabei waren die Kowaks Deutsche aus Schlesien. Sie waren keine Polen. Den Leuten war das wurscht. Die haben die Kowaks scheel angesehen und bei manchen ist das bis heute geblieben.
Denkt doch mal an Sarah Schuster, wie die immer gehetzt hat. Die hat uns Mädchen absichtlich falsch gerufen. Zu Jacqueline hat sie Schakkeliene gesagt und mich hat sie Schajenne genannt. Die hat immer so lange gestänkert, bis es Krach gab. Die Schuld an dem Krach bekam aber immer das Kowak-Mädchen, das sich wehrte.“
„Mag sein“, sagte Polly. „Sarah Schuster ist echt eine Streithenne. Aber du hast auch die arme, kleine Anika Pohlmann ein paar Mal dazwischen gehabt. Die konnte sich doch gegen dich nicht wehren.“
„Die ist mir grad die Richtige“, fuhr Chayenne auf. „Die aaarme, kleiiine Anika! Ein ganz hinterhältiges Biest ist die! Die hat es grad so gehalten, wie die Schuster Sarah, aber schön heimlich und hintenrum! Habt ihr das echt nicht gemerkt?“
„Was denn?“ wollte Dunja wissen. Sie wirkte ehrlich verwundert.
„Ei, ihre Hetzerei“, gab Chayenne zurück. „Sie ist immerzu um mich herum geschlichen und hat ganz leis gesagt: Kowak-Gesockse! Gesocks! Gesocks!
Das hat sie solange gemacht, bis ich auf hundertachtzig war und auf sie losgegangen bin. Dann hat sie geheult und sich als das arme, kleine Opfer-Anikaleinchen hingestellt und die blöde Lehrerin hat mich bestraft. Das ist eine ganz Hinterhältige!“
Jetzt staunte auch Polly. „Das habe ich nicht gewusst. Ausgerechnet die Anika? Die ist doch so nett und freundlich.“
„Pah!“ Chayenne machte eine abschätzige Geste: „Von vorne lächelt sie dich an, und von hinten stößt sie dir ein Messer in den Rücken. Ein Aas ist die! Das hat sie von ihrer Mutter. Die zieht immerzu über die Kowaks her. Die kann keinen leiden, der Kowak heißt.“
Chayenne schaute Polly und Dunja an: „Wir sind nicht halb so eklig, wie wir immer hingestellt werden. Wir verteidigen uns nur. Habt ihr je erlebt, dass ein Kowak-Kind ein anderes Kind erpresst? Nie im Leben werdet ihr das sehen! Wir wehren uns eben. Vielleicht manchmal ein bisschen zu wild, ja. Das gebe ich zu. Ich war echt ein Ekel. Aber ich bin auch oft dazu getrieben worden von Stänkern, die dauernd auf mir rumhackten.“
Sie schaute zu Boden: „Und keine wollte meine Freundin sein. Weil ich ja „dreckiges Kowak-Gesocks“ war.“ Chayennes Augen füllten sich mit Tränen. „Nur ihr beiden seid anders zu mir. Sonst keine.“
Polly konnte nicht anders. Sie trat zu Chayenne, nahm sie in die Arme und drückte sie ganz fest.

19.03.2015 22:19 Stefan Steinmetz ist offline Email an Stefan Steinmetz senden Beiträge von Stefan Steinmetz suchen Nehmen Sie Stefan Steinmetz in Ihre Freundesliste auf
 
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